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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Büchern ist eine Menge Geld zu verdienen«, ließ sich der Abbé listig vernehmen; er hatte den Tuchhändler während der Fahrt genau beobachtet und taxiert.
    »Geld?« Monsieur Leroux' Interesse war erwacht. »Aber doch gewiß nicht sehr viel«, setzte er hastig hinzu.
    »Oh, als ›Le Colloque amoureux‹ verboten wurde, stieg der Preis von zwanzig Sous auf zwanzig Livres. Und jetzt ist nirgends auch nur ein einziges Exemplar mehr zu haben. Es könnte gut und gerne dreißig Livres oder mehr erzielen, wenn man eines beschaffen könnte.« Ein ironisches Lächeln huschte über das Antlitz des Abbés.
    »Zwanzig, dreißig Livres. Das ist wirklich erstaunlich. Als Kapitalanlage –« Der Tuchhändler verlor sich in Berechnungen.
    »Und man denke an Père Dupré, der an die Polizei schrieb und seine eigene Abhandlung denunzierte, worin er die Jansenisten angriff. Ein fades, wenig originelles Werk; er hatte nicht ein einziges Exemplar verkaufen können. Binnen eines Monats war die gesamte Auflage zum Zehnfachen des ursprünglichen Preises verkauft.«
    »Ein Skandal!« rief der Tuchhändler aus. »Dennoch beweist es ein gewisses löbliches Bestreben. Weitaus besser als die Schande, ein Versager zu sein.« Monsieur Leroux blickte selbstzufrieden drein.
    Wir hatten unterdessen den Pont-Neuf wohlbehalten überquert, vorbei an einem Bader, der auf einem Podest bei Fackelschein Zähne zog. Unsere Kutsche stand nun mit vielen anderen außerhalb der Jahrmarktgefilde, und wir waren das Dutzend Stufen in die überdachten Gassen hinuntergestiegen. Das Gelände war so alt, daß es unter Bodenhöhe abgesunken war, als hätten es Millionen von Füßen im Laufe der Jahrhunderte niedergetrampelt. Budenreihen, von abertausend Kerzen erhellt, leuchteten einladend in den langen Gassen, die »Straßen« hießen und nach den darin verkauften Waren benannt waren. Verkäufer von Limonade, wäßriger Schokolade und Bonbons priesen lauthals ihre Waren an. Einladender Duft gekochter Gerichte wehte von den Buden herüber, wo Speisen verkauft wurden. Viele dieser Buden, für die eleganteren abendlichen Jahrmarktbesucher frisch hergerichtet, hatten Tische mit weißen Leinendecken und schönen Kandelabern.
    Wir schlenderten durch die Rue de Mercerie, um Möbel und seltene Porzellanwaren aus Asien und Indien anzuschauen. Amélie äußerte in entzückten Rufen, was sie gerne in ihrem Hause hätte, sobald sie vermählt sei. Auf Anschlägen war ein pièce à écriteaux angekündigt: So umgingen Komödianten auf dem Jahrmarkt das offizielle alleinige Recht der Pariser Theater auf das gesprochene Wort. Den stummen Darstellern konnte nicht angelastet werden, ein einziges Wort zu sprechen, denn der Dialog wurde in jeder Szene auf großen Schildern gezeigt. Wir blieben stehen, um zwei elegant gekleideten Herren in zartfarbener Seide zuzusehen, die um eine Vase feilschten. Dann schlenderten wir weiter, bewunderten Schmuckstücke, Spitzen, Silber, Berge von bunten Bonbons und Apfelsinen, alles unglaublich teuer.
    In dieser Saison wurden auf dem Jahrmarkt mehrere pièces à jargon gegeben. Jedermann konnte verstehen, was die Schauspieler mit fremdländisch klingender Zunge sprachen. Und dennoch entging die Truppe der Verfolgung wegen Verletzung des Alleinrechts der Theater. Männer in bizarren Kostümen priesen die Vorzüge diverser Spielhöllen, und in all dem Lärm konnten wir aus einem Theater gedämpften Gesang vernehmen, von einem Klavichord und Flöten begleitet. Ein Anschlag verkündete, daß eine der beliebtesten neuen Opern von beinahe lebensgroßen Marionetten aufgeführt wurde.
    »Oh, laßt uns hineingehen, lieber Monsieur Leroux«, rief Amélie.
    »Die Oper ist kaum ein respektabler Ort, an dem sich eine unverheiratete Frau aus guter Familie sehen lassen kann«, erklärte Monsieur Leroux, »auch wenn es sich um eine Oper mit Marionetten handelt.« Aus seiner Stimme konnte ich den Ton des Geldzählens heraushören.
    »Dann kann ich es kaum erwarten, verheiratet zu sein!« rief Amélie, und ihre jüngere Schwester schnitt ihr heimlich eine Grimasse.
    »Das, meine liebe Mademoiselle Bailly, ist gänzlich angemessen«, erklärte ihr Zukünftiger.
    Ein gutgekleideter Herr, gefolgt von vier livrierten Dienern, bahnte sich einen Weg durch die Menge.
    »Wahrlich«, flüsterte der Abbé mir zu, »der Abend fördert die besseren Klassen zutage. Selbst die Taschendiebe scheinen der Oberschicht anzugehören.« Ich sah genau hin, und wahrhaftig, eine bleiche Hand

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