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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Himmel, nicht für die Hölle?« Er schien außer sich vor Verzweiflung.
    »Diese Fragen sind zu schwer für mich, selbst nach hundertfünfzig Jahren. Kommt, Eure dritte Lesung.« Als das Wasser sich beruhigt hatte, sah ich ein neues Bild. Rabel beriet einen offenbar sagenhaft reichen Ausländer in einem Palastgemach. Als ich das Bild genauer beschrieb, begannen sich Rabels Züge zu glätten, und seine Sorgen über die Natur des Universums verflüchtigten sich. »Ihr werdet reich und berühmt sein, Doktor Rabel, sobald Ihr die Schwierigkeiten der vorhergehenden Bilder überwunden habt. Aber das wird nicht in Paris sein –« Seine Zuckungen hörten auf. Seine Welt war wieder in Ordnung. Rabel im Zentrum, alles andere existierte nur, um ihn ins Glück emporzuheben.
    »Ja, ja. Ich weiß, wer das ist – ich erkenne die Beschreibung. Es ist der König von England. Meine Belohnung – ha! Oh, ich Glücklicher!« Er rieb sich die Hände. Wieder ein Kunde, der das Bild um nichts in der Welt verändern wollte. Wie konnte ich je meinen Beweis erbringen, wenn niemand bereit war, das Schicksal herauszufordern? Plötzlich sah er mich wieder an. Diesmal mit neuem Respekt.
    »Und Ihr. Es ist bewiesen. Der Teufel wirkt wahrhaftig auf der Welt, und Ihr seid mit ihm im Bunde. Warum würdet Ihr sonst in meinem Leben erscheinen, so düster, so mysteriös, um mir den Lohn für meine – meine Taten zu verkünden?« Ihr meint üble Taten, dachte ich. Andernfalls hättet Ihr nicht gezögert. Ihr verabreicht Gift als Arznei. Wer bezahlt Euch? Die Erben? Ein Rivale? Ein Fremder, der einen Groll hegt? Ich betrachtete die verräterische Kugel. Grauenhafte Bilder. Wann werdet ihr etwas anderes enthüllen als die geheime Bosheit der Menschheit? Ich trug eine Miene zur Schau, die, wie ich hoffte, würdevoll aussah. »Der Teufel –«, fuhr er sinnend fort, »wann seid Ihr ihm begegnet? Könnt Ihr ihn mir zeigen? Mußtet Ihr ihm Eure Seele verschreiben?« Ich fand sein Geschwätz allmählich widerwärtig.
    »Nicht daß ich wüßte«, sagte ich leichthin. »Ich bin schlicht das unglückliche Produkt der alchimistischen Wissenschaft. Eine gewöhnliche Frau aus guter Familie – von der Liebe betrogen –, ein mißglücktes Experiment. Wenn Ihr hundertfünfzig Jahre gelebt hättet, würdet auch Ihr zweifellos der Gabe des Lesens teilhaftig werden. Sie stellt sich mit dem Alter ein.« Er wirkte erschrocken. Er wird gehen, dachte ich. Ich darf ihn nicht vollends entmutigen. »Natürlich«, fuhr ich fort, »kann ich nicht behaupten, daß mein ehemaliger Geliebter, der Abbé, welcher sich in diesem Augenblick zweifellos mit anderen, jüngeren Frauen vergnügt, nicht mit dem Teufel im Bunde war, als er die Salbe herstellte.«
    »Natürlich, natürlich«, murmelte er. »Die meisten Abbés sind mit ihm im Bunde. Das klingt plausibel. Was weiß denn eine Frau? Wir müssen den Abbé finden – er kann überall sein. Verdammt!« Dann sah er mich an und lächelte liebenswürdig, wie man einem Kind zulächelt, das man mit einem Bonbon zu bestechen sucht. »Wie bedauerlich, meine Liebe, daß Ihr den Teufel nicht selbst herbeiholen könnt. Dennoch, Ihr seid ein Phänomen! Warum sollen diese habgierigen Bachimonts die Ehre haben? Selbst ein Teufel aus zweiter Hand ist jedermann weit voraus – ja, dem Duc – meine liebe Marquise, Ihr müßt mir gestatten, Euch in einen Kreis einzuführen – einen Kreis von Leuten, die sehr interessant sein werden – ha! Ihr und ich – ich werde die Welt in Erstaunen setzen!« Das Geschäft wurde von Mal zu Mal komplizierter. Nur gut, dachte ich, daß eine Frau mit Erfahrung mich berät. Ich muß mich baldmöglichst mit La Voisin besprechen. Ich möchte wahrlich nicht als Opfer einer lächerlichen teuflischen Zeremonie enden.

    5. März 1675. Warum beharren die Menschen darauf, sich mit dem Teufel einzulassen? Wenn es keinen Gott gibt, dann gibt es auch keinen Teufel und alles ist vergebens und töricht. Wenn es Gott gibt, warum will dann irgendwer, der seine fünf Sinne beisammenhat, mit einem zweitrangigen Wesen wie dem Teufel zu schaffen haben? Das widerspricht nicht nur der Logik, es ist schlechter Geschmack. Den Rest der Seite füllte ich mit Zeichnungen von Lamottes Gesicht.

    »Ich würde mir da keinerlei Sorgen machen, meine Liebe«, erklärte meine Beraterin und streichelte den kleinen Bernsteinkatzenkopf. Ein kühler Frühjahrsnebel wirbelte vor dem Fenster, doch das züngelnde Feuer auf den beiden Eisenkatzen machte

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