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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Brosamen nähren. Denke daran und sei loyal.«
    Interessant. Wie viele Anwärterinnen auf die Krone gab es noch? Wie gefestigt war La Voisins Herrschaft über ihr eigenes unermeßliches Netz? Hatte ihr grenzenloser Ehrgeiz sich bereits übernommen und mächtige Rivalinnen und Feindinnen auf den Plan gerufen? Ich sollte mich lieber sputen und mich selbständig machen. Mir war gewiß nicht daran gelegen, mich mit der vulgären Witwe eines Pferdehändlers zu verbünden.

    17. Februar 1675. Marie Bosse war heute hier und bot mir ein erkleckliches Honorar, wenn ich im Wasser lesen und ihr sagen könne, wo sie einen verlorenen Ring fände. Ich sagte es ihr genau, und sie nickte, als hätte sie es schon gewußt. Sie erwähnte La Vigoreux, des Schneiders Gattin, daraus schließe ich, daß sie gekommen ist, um meine Kräfte auf die Probe zu stellen. Sie tat sehr freundlich und sagte, sie hoffe, mich öfter zu sehen. Ich traue ihr nicht. Sie dünkt mich ungehobelt und verschlagen.

    »Madame sollte nicht ewig um den vor so langer Zeit verstorbenen Gatten trauern. Um wieviel jugendlicher würdet Ihr aussehen, meine liebe Marquise, würdet Ihr Euch in die frischen Farben des Frühlings kleiden.« Der Tabak schnupfende provenzalische Abbé brachte sein Gesicht beim Sprechen so dicht an meines, daß ich seinen Atem auf meinem Hals spürte. Auf der anderen Seite des Tisches hielt die Witwe Bailly abrupt beim Austeilen der Suppe inne und sah ihn mißbilligend an.
    »Ich bin zu alt, um mich mit den Eitelkeiten dieser Welt zu befassen«, entgegnete ich naserümpfend. Doch ich hatte den Frühling im Herzen und wünschte mir ein neues Kleid. Ein hübsches.
    »Gilt das auch für die Eitelkeiten der Leute, die sich in immer größerer Zahl täglich hinter jenem Wandschirm einfinden?« Die Stimme des Abbés war träge und weise. Ein gräßlicher Mann. Die Provenzalen lassen nie von der Jagd auf Frauen ab. Das ist ihnen angeboren. Noch auf dem Sterbebett machen sie ihren Krankenschwestern unsittliche Anträge.
    »Da geht es um wohltätige Werke, Monsieur. Ich verbringe meine Tage damit, anderen zu helfen.« Ich tat, als sei ich ganz davon in Anspruch genommen, ein Brötchen zu brechen.
    »Madame la Marquise ist eine Wundertäterin, eine Wundertäterin. Ein Tuchhändler mit eigenem Geschäft und Gehilfen. So ein Glück für meine Amélie. Und es ist alles genau so eingetroffen, wie sie gesagt hat«, eilte Madame zu meiner Verteidigung. Amélie blickte auf den Tisch und errötete beim Gedanken an ihre bevorstehende Heirat. Brigitte, ihre jüngere Schwester, ohne Mitgift, mürrisch und mit pickeligem Gesicht, sah sie grollend an. Die übrigen Kostgänger, eine Schar mittelloser Ausländer und Provinzler, zeigten sich über die Unterbrechung des Mahles erbost.
    »Dem Wort einer so reizenden Gastgeberin muß ich wohl Glauben schenken«, flötete der Abbé. Madame Bailly errötete erfreut und machte sich wieder ans Austeilen der Suppe. Das gleichmäßige Klicken der Suppenlöffel setzte wieder ein. Monsieur Dulac, der Schreiber, fuhr mit seiner Erzählung von dem Skandal auf dem Foire St. Germain fort.
    » – und als wir in die Rue de Lingerie kamen, war alles in Aufruhr, Buden waren zertrümmert, und einer Limonadeverkäuferin war der Arm gebrochen, ich schwöre es, und ihre ganze Ware auf der Erde verschüttet. Es waren ein junger Vicomte und sein Begleiter, sturzbetrunken. Sie sind mit ihren Pferden auf den Jahrmarkt geprescht und in vollem Galopp durch die Gassen geritten, haben ihre Schwerter geschwenkt und die Buden umgeworfen. Ich wäre um ein Haar getötet worden, getötet, nicht auszudenken!«
    »Monsieur Dulac, Ihr solltet Euch auf den Abend beschränken, wenn die Vornehmen den Jahrmarkt besuchen, nach der Oper«, bemerkte Madame Bailly, während ihr Mädchen für alles die Suppenteller abtrug.
    »Als ob Ihr das wüßtet«, flüsterte Brigitte gehässig.
    »Aber dann werden die Preise verdoppelt, Madame Bailly«, erwiderte der Schreiber, »und ich müßte mich aufs Herumschauen beschränken. Wohingegen ich heute für nur zwei Sous ein höchst sonderbares Geschöpf zu sehen bekam. Eine Rarität aus dem fernen Indien – einen Waschbären.«
    »Oh, wie sah er aus, wie ein Drache?« fragte Amélie.
    »Nein, er war über und über behaart wie ein Wolf und hatte einen großen Schwanz, ganz gestreift. Sie sollen so giftig sein wie Schlangen. Aber Indien ist ja auch ein äußerst gefährliches Land. Es soll dort fleischfressende

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