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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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schob sich blitzschnell aus ihrem spitzengeschmückten Ärmel in die Tasche eines gewichtigen Herrn, der zwei ältere Damen begleitete.
    Wir bogen in die Rue des Orfèvreries ein, wo Geschmeide aller Art zur Schau gestellt war. Maskierte Damen in elegantem Inkognito schlenderten mit ihren Kavalieren und deuteten mit behandschuhter Hand auf dies und das.
    »Mein lieber Freund, was für eine entzückende Brosche«, ertönte die hohe, kultivierte Stimme einer Hofdame.
    »Meine Liebe, sie gehört Euch«, und der Galan erstand den begehrten Gegenstand und überreichte ihn seiner Angebeteten mit schwungvoller Gebärde.
    »Ah, welche Wonne; oh, mein Freund, ich bin ermüdet.«
    »Gestattet mir, Euch eine Erfrischung anzubieten. Nach Aussage des Duc de Vivonne soll das neue Getränk im türkischen Pavillon die Sinne wunderbar beleben.«
    »O Monsieur Leroux«, rief Amélie, »laßt uns auch hier einkehren!«
    Und ihr Verlobter, der es müde war, Andeutungen über »zu allerliebste« kleine Stickereien in der Rue de la Lingerie zu überhören, stimmte eilends zu.
    Wir folgten dem maskierten Paar in den türkischen Pavillon, wo man uns in der Nähe der Türe an einen mit weißem Leinen gedeckten Tisch führte. Über uns erstreckte sich eine ausladende, wenngleich unbeholfen gestaltete Decke mit glitzernden Kronleuchtern. Kellner in riesigen wattierten Turbanen und bauschigen Beinkleidern trugen fremdartige Messingtabletts mit emaillierten Metalltäßchen. Ein merkwürdiger Geruch nach verbranntem Kork erfüllte den Raum – zweifellos das türkische Getränk –, aber es war zu spät, um mit Anstand hinauszugehen.
    »Aber, mein Lieber«, hörte ich die helle Stimme der maskierten Dame, »man hätte uns gewiß nicht so nahe bei solchen Niemanden plazieren sollen.« Madame Bailly und ihre Töchter waren zu sehr damit beschäftigt, sich über die Spitzen und Frisuren der Besucher an den Nachbartischen zu verwundern, um es zu hören. Doch der Abbé warf mir einen amüsierten Blick zu.
    Wieder war die Stimme der maskierten Dame zu vernehmen: »Die Frau da drüben zum Beispiel kann niemand anders sein als Mademoiselle de Brie, die Komödiantin vom Théâtre de la Rue Guénégaud. Ich bin sicher, daß ich das vulgäre Kleid und diesen gräßlichen Umhang mit der Schleppe kenne – ich glaube, sie gehören der Truppe, oder vielleicht hat sie sie aus zweiter Hand gekauft.«
    »Kommt, meine Liebe«, sagte der Stückeschreiber, und seine Stimme troff von Widerwillen, »der Landadel aus der Provinz hat den gesamten Hofadel aus dieser Stätte gedrängt. Hier ist niemand mehr von wahrer Vornehmheit zu sehen.« Und mit einer umsichtigen Geste nahm er den Arm der Komödiantin. Sie raffte mit ihrer behandschuhten Hand ihre Schleppe, und gemeinsam stolzierten sie an der maskierten Dame, sodann an uns vorbei zur Türe hinaus. Ich kannte den Mann, von seinem gewichsten Schnurrbart bis zu den langen braunen Locken, die über seinen Spitzenkragen wallten. Es war der schöne Kavalier von der Rue des Marmousets, zu Wohlstand gelangt. Es war André Lamotte.
    »Meiner Seel, so ein stattlicher Mann«, bemerkte Brigitte, »aber sie ist viel zu alt für ihn.«
    »Das ist André Lamotte, der Stückeschreiber«, sagte ich. War es das schwarze Getränk, das meine Nerven so in meinem Leib kribbeln ließ?
    »Meine Güte, sich so in der Gesellschaft auszukennen«, seufzte Madame Bailly.
    »Lamotte, Lamotte«, sagte der Abbé, »den Namen kenne ich. Ich war vor Weihnachten im Théâtre de la Rue Guénégaud und habe ein Stück gesehen – wie hieß es doch gleich? Wochenlang waren alle ganz versessen darauf. Ach, ja, ›Osmin‹. Es handelte von einem türkischen Prinzen, der aus Liebe zu einem Christenmädchen stirbt, deren Gesicht er nur in einem Fenster gesehen hat –« Er brach ab, um mir einen leidenschaftlichen Blick zu schenken. »Männer sterben aus Liebe«, setzte er hinzu und versuchte, seine Hand auf mein Knie zu legen. Ich schob sie fort.
    »Oh, wie poetisch«, seufzte Amélie.
    »Sie war vermutlich blond und hatte einen makellosen Teint«, meinte Brigitte sauertöpfisch. »So sind sie alle, diese Geschichten. Keiner stirbt für ein Mädchen mit Pickeln.«
    Ich schlürfte den Rest des bitteren Trankes. Ein köstliches Getränk, dachte ich. Ich muß herausfinden, wie ich öfter in seinen Genuß kommen kann. Kein besonderer Geschmack, aber diese wunderbare Wirkung! Ein Monat in einem Kurbad könnte meinem Körper nicht diese Kraft, meinen Gedanken

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