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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Ihre schwarzen Augen leuchteten beim Anblick des Goldes. »Meine Güte, wie rasch du gut verdienst.« Sie starrte mich plötzlich an, ihre Augen suchten mich zu durchbohren. »Du hast doch nichts zurückbehalten, nein?«
    »Nein, Madame. Hier ist die Abrechnung. Papier, Feder und Tinte, Geld für Droschken und für ein Paar dicke Strümpfe, weil der Schuh mir Blasen gemacht hat.« Die Arglosigkeit in meinen Augen schien sie zu entwaffnen.
    »Und was ist dies für eine Zahlung an La Trianon?«
    »Ein Schlaftrunk. Das Korsett ist schmerzhaft.«
    »Schmerzhaft? Natürlich ist es schmerzhaft. Du brauchst die Schmerzen. Sie werden dich in deinem Entschluß bestärken, reich zu werden. Laß ab vom Opium. Es wird dich langsam zugrunde richten.« Sie strich diesen Posten mit ihrer Feder durch. Ich beschloß, einen Teil meiner nächsten Gebühr zurückzubehalten und meinen Kauf zu unterschlagen. Soviel würde La Dodée gewiß für mich tun. Ich war unterdessen eine gute Kundin. Meine Gönnerin sah zu mir auf, denn ich stand vor ihr, während sie die Eintragungen ins Hauptbuch vornahm. Ihre Stimme war berechnend und ihr Lächeln falsch, als sie sagte: »Eine Dame wie du sollte nicht ohne Zofe sein. Wer schnürt dich jetzt? Eine Magd dieser dummen Witwe?«
    »Ihre jüngste Tochter hilft mir beim Ankleiden.«
    »Zeig mir die Stangen. Hmm. Du bist noch bucklig. Das Mädchen ist nicht stark genug, um es richtig fest zu schnüren. Du behältst es beim Schlafen noch an, ja?«
    »Wenn ich das nicht täte, hätte ich den Schlaftrunk nicht gebraucht«, entgegnete ich trotzig. Sie lächelte übers ganze Gesicht, zeigte aber zu viele Zähne.
    »Nun sei ein tapferes Mädchen, und bald wirst du es nachts ablegen können. Ich glaube, ich weiß genau die richtige Zofe für dich –« Diese Wendung behagte mir nicht. Eine Spionin, um mich im Auge zu behalten. Ich wechselte das Thema.
    »Die Frau, die Euch gegrüßt hat«, fragte ich, »wer ist sie? Eine von uns?«
    »Eine von uns, vermute ich, im weiteren Sinne«, sagte La Voisin verächtlich. »Das ist Marie Bosse. Sie wird nicht nach deinem Geschmack sein. Vollkommen ungebildet, sie addiert mit den Fingern. Sie hat kein Talent zum Geschäft. Überdies war sie mit einem Pferdehändler verheiratet.« La Voisins Stimme bebte vor Überheblichkeit. »Sie war wegen Falschmünzerei im Kerker. Oh, sie hat natürlich Gefährtinnen, aber das sind zum größten Teil kleine Fische. Leute mit wenig Talent. Sie legen Karten, erteilen schlechte Ratschläge. Meistens sind sie nur imstande, das wenige aufzubessern, das ihre Ehemänner heimbringen. Leute, die sich mit ihr abgeben, lernen nie, wie man reich wird. Ich lasse ihnen ab und an ein kleines Geschäft zukommen.« Sie klappte ihr Hauptbuch zu und verschloß es in ihrem vergoldeten Buffet. »Sie beneidet mich natürlich – nein, nicht hinsetzen, ich habe dich nicht dazu aufgefordert, oder? –, aber sie wird es zu nichts bringen, weil sie nichts von – Philanthropie versteht. So ergeht es denen, die darauf beharren, alles nach alter Art zu machen. Wir leben in einer neuen Zeit. Um im Geschäft erfolgreich zu sein, muß man das begreifen.«
    Sie setzte sich auf den Lehnstuhl hinter ihr Schreibpult und musterte mich eingehend. Ich war jetzt gut gekleidet, mit einem mit Litzen besetzten Kapuzenumhang und einem pelzverbrämten Winterkleid, an dessen Taille ein Pelzmuff an einer Kordel hing. Ganz in Schwarz natürlich, im Hinblick auf meine jüngst erworbene Witwenschaft, und alles von meinem eigenen Verdienst erstanden. Sie betrachtete mich wohlwollend, wie ein Künstler ein Gemälde begutachtet, das er für besonders gelungen hält. In diesem Augenblick durchzuckte mich die Erkenntnis, daß sie mehr war als eine kluge Frau. Sie war brillant. Sie unterschied sich so sehr von La Bosse wie ein General von einem gemeinen Soldaten, durch ihren Weitblick, die Fähigkeit, ungeheure Pläne im Kopf zu erarbeiten, durch eine nahezu übermenschliche Willenskraft. »Du mußt dich vor La Bosse hüten«, fuhr sie fort. »Sie wird dich haben wollen, wenn sie sieht, wie erfolgreich du bist. Aber sie wird keinen großen Nutzen aus dir ziehen, und sie hat ein loses Mundwerk – binnen kurzem wird sie neidisch werden und dich zu Fall bringen, nur um zu zeigen, daß sie es kann. Denke daran, es ist in meinem Interesse, dich aufsteigen zu sehen, und meine Interessen sind mir stets wichtiger als meine Passionen. Deswegen herrsche ich, und andere können sich nur von meinen

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