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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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aus, sogar jetzt, ohne Korsett.«
    Gerader? Die Stube schien zu zerfließen, als mir die Augen schwer wurden. Ich konnte mich als eine Dame sehen, vollkommen gerade, im Garten eines Schlosses Rosen pflückend. Ich konnte einen Mann meinen Namen rufen hören. Rosen. Ja. Ich brauchte ein rosenfarbenes Kleid.

    Das Licht Hunderter von Kerzen vervielfältigte sich in den Spiegeln und wurde abermals von der goldenen Täfelung des kleinen Empfangszimmers im Palais Royal zurückgeworfen. Die illustren Gäste saßen in brokatbezogenen Lehnstühlen; andere mußten mit fransenbesetzten Schemeln vorliebnehmen. Das junge Volk wandelte zwischen den Lehnstühlen, ehrfürchtig lauschend und Schmeicheleien von sich gebend, wie es erwartet wurde. Ich hörte das helle Lachen der Gastgeberin hinter ihrem Fächer, als sie neckend sagte: » – aber meine liebe Comtesse, wie man hört, ist der Marquis de Seignelay absolut betört von Euch!«
    »Ich kann nichts dafür, wenn er mich anschaut. Die Frage ist, ob ich ihn anschaue. Und Ihr müßt zugeben, daß der Marquis unmißverständlich etwas je ne sais quoi de bourgois hat.«
    »Das freilich ist die Schuld seines Vaters Colbert. Es ist eine große Schande, daß der König seine Minister aus dem Nirgendwo erhebt. Aber Ihr könnt nicht leugnen, daß er ein ganz reizend aussehender junger Mann ist und natürlich unglaublich reich –«
    Freilich, ein nahezu unmerklicher Fehler in seinen Manieren, eine unachtsame Redewendung oder ein winziger Makel seines Auftretens oder seiner Kleidung würden ihm den Zutritt zu den erlauchtesten Kreisen verwehren. Es war jener winzig kleine Makel, der sich auch mit erworbenen Titeln oder Bergen von Geld nicht wegwaschen ließ. Und ich hatte diesen Makel nicht. Das war das einzig Gute, das ich von der Rue des Marmousets mitgenommen hatte. Die Erscheinung, die Sprache des guten Blutes. La Voisin konnte nicht ohne mich auskommen. Die Salons konnten mich nicht entlarven. Befriedigung durchströmte mich. Ich war wieder an der Arbeit.
    »Was immer Ihr von Colbert haltet, Ihr müßt gestehen, daß Louvois viel schlimmer ist.« Ein Staatsminister gegen einen anderen.
    »Ah, Louvois!« lachte die Dame. »Er schaut aus wie ein Kammerdiener.«
    »Wie ich höre«, sagte ein Herr in grünem Samt und Schuhen mit besonders hohen roten Absätzen, welche Monsieur populär gemacht hatte, »sucht er verzweifelt seine Erscheinung zu verbessern; er braucht Stunden zum Ankleiden und fragt elegante Männer um Rat, wo er seine Bänder anbringen soll.« Alle Damen lachten über die Vorstellung von Louvois vor seinem Spiegel. Louvois, der Rachsüchtige, dessen Wort Vernichtung brachte und dessen Günstling La Reynie die Verhaftungen veranlaßte, die Louvois beim König erwirkte. Wäre er hier, mit welch ironischer Höflichkeit würde man ihn begrüßen! Wie tief die Verbeugungen, wie breit das Lächeln! Und wie groß das Gelächter, wenn er abtrat. Wie konnte der Mann keinen Verdacht schöpfen?
    Doch dieser Abend gehörte den Okkultisten, Amateuren wie Professionellen, die sich versammelt hatten, um sich gegenseitig zu erstaunen und zu verblüffen.
    »Alle Wetter«, sagte ein älterer mir unbekannter Herr, »ich habe sogar von einem Horoskop gehört, das allein aus einer Handschrift erstellt wurde.«
    »Und wem sollte das gelungen sein?« Der Akzent der Comtesse de Gramont verriet noch immer ihre englische Herkunft. Sie war groß und blond und bewegte sich mit dem Selbstvertrauen einer Frau, die weiß, daß die Hälfte der anwesenden Männer in sie verliebt ist. Ihr Gatte, hieß es, sei ein Bonvivant mit einer Harlekinnase, ein erbittert eifersüchtiger Mann.
    »Ich glaube, es war Primi Visconti«, erwiderte der Abbé de Hacqueville.
    »Visconti, bah, ein Amateur«, sagte der neapolitanische Priester mit seinem starken italienischen Akzent. »Er versteht nichts von den Wissenschaften des Wahrsagens. Ich selbst bin Quell und Ursprung dieser besonderen Kunst, wie ich beweisen werde.«
    »Bravo, Père Prégnani«, rief der ältere Herr. »Beweist, wie Eure Kunst Viscontis überstrahlt!« Dies also war Prégnani, Viscontis Rivale, und er sah wahrlich wie ein übler Bursche aus. Es hieß, der König habe ihn einmal mit einer diplomatischen Mission betraut. Zudem habe er Ergebnisse von Pferderennen vorausgesagt. Ich sah interessiert zu, als er um eine Handschriftenprobe bat, das Horoskop erstellte und aller Aufmerksamkeit auf sich zog.
    Aber es war die Marquise de Morville, die den

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