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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Beratung mit La Voisin. Was meine Gönnerin in solchen Fällen genau unternahm, wußte ich nicht, aber es war wohl mehr als das Verteilen von Talismanen und die Verabreichung von Pulvern aus getrockneten Schweineherzen. Am Ende des Abends drängte Duc de Nevers mir in Anerkennung meiner Dienste einen Beutel mit Silberstücken auf. Der Diener, der ihn mir überreichte, wollte seinen Teil davon, ebenso Rabel, aber es blieb dennoch ein hübsches Sümmchen übrig, zumal ich die Hälfte fortgesteckt hatte, bevor er es zählte. Ich war nicht im mindesten erstaunt, als ich eine Woche später ein Billett mit der Aufforderung erhielt, mich zu Madame la Maréchale de Clérambaut in das Palais Royal zu begeben. Sie war die Gouvernante der Kinder des jüngeren Bruders des Königs.

    Ich habe genug von Schwarz, dachte ich an diesem Abend vor dem winzigen rechteckigen Spiegel auf meiner Frisiertoilette. Genug davon, eine alte Dame zu sein, genug davon, in ein Wasserglas zu starren, bis meine Augen schmerzen, genug davon, Lügen zu erzählen. Ich brannte darauf, wieder jung zu sein. Ich könnte hübsch sein, dachte ich, wenn ich ein frühlingsfarbenes Kleid hätte. Das richtige Kleid – ja. So geschnitten, daß es ein besticktes Unterkleid sehen ließ, aber meine Schuhe verdeckte. Die meisten eleganten Damen waren nicht eigentlich hübsch. Und ich wirkte beinahe aufrecht, vielleicht sogar ganz aufrecht im trüben Licht der einzigen Kerze neben dem Spiegel. Ich war nicht allzu dünn, ich war nicht allzu klein. Wirklich nicht.

    Dies ist die Zeit, da ich Marie-Angélique am meisten vermisse. »Möchtest du wirklich ein neues Kleid, Schwester?« würde sie sagen. »Oh, laß uns die Modezeichnungen bei Au Paradis auf dem Pont au Change anschauen. Und sie haben dort die schönste Wäsche, alles schon fertig gearbeitet. Wenn ich reich bin, möchte ich von dort einen Morgenrock aus der herrlich bemalten indischen Baumwolle, und ein Paar Samtpantöffelchen, genau wie die, die ich in der Boutique gegenüber gesehen habe.« Selbst ohne Geld lebte sie fürs Geldausgeben. Wäre ich bei ihr, würde ich die Freude und Aufregung über neue Sachen fühlen und den metaphysischen Verdruß vergessen. »Schwester, du machst dir zu viele Sorgen. Mit einem Paar hübscher Ohrringe fühlt ein Mädchen sich jedesmal ganz neu«, würde sie sagen, wenn sie jetzt bei mir wäre. Vielleicht hat Marie-Angéliques Lebensphilosophie ja doch etwas für sich.

    Von der Erschöpfung nach einem Lesungsabend zitterten meine Beine. Es war, als sei das Blut aus meinem Körper gewichen. Ich zog die Nadeln aus meinem Häubchen und schüttelte das Haar.
    Schwer und schwarz fielen mir die Locken um die Schultern. Mein Gesicht ist nicht übel, dachte ich. Dem Abbé gefällt es. Und ich habe eine feine Haut. Das kann niemand in Abrede stellen. Viele Damen sind von Pockennarben gezeichnet und gelten dennoch als sehr elegant. In meiner Erschöpfung fühlte ich die Schmerzen schärfer denn je. Kalter Stahl, jede Woche enger geschnürt. Ich nahm einen Schluck von dem OpiumLabsal. La Dodée machte es mir jetzt kräftiger. Kräftiger und süßer. Es tat sehr gut. Das Zimmer drehte sich, die Kerzenflamme züngelte und flackerte, und die Schmerzen folgten der dünnen Rauchfahne aufwärts, um sich im nebelhaften Dunkel über meinem Kopf zu verlieren. Gestalten bewegten sich ungebeten in den Tiefen des Spiegels. Lamotte, im Hemd auf der Kante eines mit Brokat drapierten Bettes sitzend. Das Hemd war am Hals offen, und ich konnte die weiße Haut am Schlüsselbein sehen, das Pulsieren seines Blutes. Er beugte sich vor und zog das Hemd aus. Gott, war er schön. Der feine Haarflaum auf seiner Brust, die sich hob und senkte. Ich brachte mein Gesicht näher an den Spiegel und trübte ihn mit meinem Atem. Im Bett rührte sich etwas, und ich erkannte den weißen Arm einer fremden Frau, eine runde Schulter, einen wirren Schopf heller Haare.
    Ich fühlte, wie die Tränen tiefe Spuren in den dicken Puder auf meinem Gesicht gruben. Hatte ich ihn abgeschreckt, damals, war ich zu schlau gewesen? Hatte seine Art, die mich bezauberte, jemals mehr bedeutet als herablassende Galanterie? Arme häßliche Schwester, was könnte es anderes gewesen sein? Angenommen, ich würde ihn wiedersehen, und ich sähe aus wie eine Königin. Angenommen, ich hätte eine poudre d'amour von La Voisin und gäbe davon in seinen Becher. Angenommen, ich lachte und plauderte über reizende Nichtigkeiten und verdrehte die Augen

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