Die Hexe von Salem
zierte. Seine Streichhölzer waren in der nebeldurchtränkten Luft feucht geworden und brannten nicht gut. Er brauchte fast eine Minute, um den Docht in Brand zu setzen und die Klappe wieder zu schließen. Mit klammen Fingern drehte er am Stellrad. Aus dem flackernden gelben Licht hinter dem Reflektor wurde ein weißes, fast schmerzhaft helles Glühen, als sich das Ventil öffnete und die Flamme in den Karbiddämpfen neue Nahrung fand.
Mortenson blinzelte. Der grellweiße, mannsdicke Strahl des Scheinwerfers stach wie ein Speer aus Licht in den Nebel hinaus. Im ersten Moment sah er fast weniger als zuvor, als die grauen Schwaden den Schein reflektierten, dann streifte der weiße Strahl etwas Dunkles, Massiges, glitt weiter und verharrte, als Mortenson den schweren Scheinwerfer mit einem Ruck anhielt.
Seltsamerweise war es vollkommen still. Er hörte nichts als das gedämpfte Plätschern und Rauschen des Flusses. Kein Motorenlärm, kein Rudergeräusch – nichts. Einen Moment lang überlegte er, ob das Schiff dort draußen – wenn es überhaupt ein Schiff war – vielleicht ein Segler sein mochte, dessen Kapitän schwachsinnig genug war, sich trotz der miserablen Sicht den Launen des Windes und der Strömung anzuvertrauen, verwarf den Gedanken aber sofort wieder.
Langsam schwenkte er den Scheinwerfer zurück. Der kalkweiße Strahl traf auf etwas Dunkles.
Mortenson starrte ungläubig zu dem riesigen schwarzen Ding hinüber, von dem der Scheinwerferkegel nur einen kleinen Ausschnitt aus der grauen Dämmerung riss. Das Licht tastete über eine gebogene, von armdicken knorpeligen Strängen durchzogene Flanke, über schwarzes Horn und glitzernde, handgroße Schuppen …
»Aber das ist doch unmöglich …«, flüsterte er. »Das, das gibt es doch nicht …« Seine Hände begannen zu zittern. Die Bewegung übertrug sich auf den Scheinwerfer; der Lichtkegel wanderte nach oben aus, verlor den Schatten einen Moment und rutschte mit einem Ruck wieder nach unten. Mortensons Herz begann wie ein Hammerwerk zu schlagen. Für einen Moment vergaß er sogar zu atmen, während der Strahl langsam am Körper des unmöglichen Dinges entlangwanderte. Ein grotesk langer, mannsdicker Schlangenhals tauchte im Zentrum des grellweißen Kegels auf, dann tastete der Strahl über einen gewaltigen, horngepanzerten Schädel.
Mortensons Schreckensschrei ging in einem urgewaltigen Brüllen unter. Der Schädel des Giganten ruckte in einer wütenden Bewegung herum. Ein zweiter, gepeinigter Schrei zerriss die Stille, als das weiße Licht schmerzhaft in seine kleinen, lidlosen Augen stach. Das Ungeheuer bäumte sich auf. Wasser schäumte hoch, und das Patrouillenboot erbebte wie unter dem Faustschlag eines Riesen, als es von der Flutwelle getroffen wurde.
Die Erschütterung riss Mortenson von den Füßen. Er fiel, schrammte mit der Stirn über die Kante des Scheinwerfers und blieb sekundenlang benommen liegen. Wie durch einen dämpfenden Schleier hindurch hörte er, wie Sarcin die Tür des Ruderhauses aufriss und irgendetwas schrie, das er nicht verstand.
Als er sich wieder aufrichtete, hatte sich das Ungeheuer gedreht und Kurs auf das Boot genommen. Mortenson erstarrte. Irgend etwas in ihm schien sich zusammenzuziehen, schmerzhaft wie eine Stahlfeder, die bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit niedergedrückt wurde, aber er war unfähig, sich zu rühren oder auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
Unmöglich, dachte er. Immer und immer wieder. Unmöglich! Seine Finger klammerten sich so fest um die Reling, dass seine Nägel brachen und zu bluten begannen. Er merkte es nicht einmal.
Das Ungeheuer stampfte wie ein angreifendes Kriegsschiff heran. Es war so groß wie das Patrouillenboot, vielleicht größer, und sein gewaltiger Schädel pendelte noch ein gutes Stück über der Höhe des Schornsteines. Es hatte aufgehört zu brüllen, nachdem das grelle Licht seine Augen nicht mehr peinigte, aber seine Wut war keineswegs gedämpft.
Mortenson erwachte erst aus seiner Erstarrung, als der Leib des Monsters mit einem ungeheuren Krachen gegen die Bordwand des Bootes stieß.
Die Erschütterung riss ihn abermals von den Füßen und ließ ihn wie ein Spielzeug über das Deck kollern. Irgend etwas schrammte über seinen Rücken, zerriss seine Kleider und die Haut darunter, ein Schlag traf sein linkes Bein und betäubte es. Mit ungebremster Wucht krachte er gegen einen Decksaufbau und spürte, wie eine Rippe brach.
Der Schmerz riss ihn vollends in die
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