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Die Hexe von Salem

Die Hexe von Salem

Titel: Die Hexe von Salem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dem Monster stehen und riss den rechten Arm zurück. Das kleine Ding, das er in der Hand gehalten hatte, flog in einem perfekten Bogen durch die Luft und klatschte gegen die Brust des Unholdes.
    Das Ergebnis war verblüffend. Das Monster blieb so abrupt stehen, als wäre es vor eine unsichtbare Mauer geprallt. Eine zuckende, wellenförmige Bewegung jagte über seinen Körper. Seine Arme peitschten.
    Dann begann es zum zweiten Male zu zerfließen. Aber diesmal war es anders. Sein Leib löste sich nicht in grünen Schleim auf, sondern verdampfte!
    Dort, wo Howards Wurfgeschoss getroffen hatte, begann sich grauer Rauch von seiner Brust zu kräuseln. Das Schleim-Fleisch – oder was immer es sein mochte – begann zu kochen, zu brodeln und wie in Krämpfen hin und her zu wogen. Mehr und mehr Rauch quoll hoch, und ich glaubte ein leises, fast elektrisches Knistern zu hören.
    Es dauerte nicht einmal eine Minute. Der Rauch wurde so dicht, dass er mir die Sicht auf das Ungeheuer verwehrte, aber als er sich verzog, war nicht mehr die geringste Spur von ihm zu sehen. Nur dort, wo es gestanden hatte, lag das kleine, graue Ding.
    Howard ging mit raschen Schritten zu der Stelle hinüber, bückte sich und hob den Gegenstand, den er geworfen hatte, mit einem flüchtigen, triumphierenden Lächeln auf. Eine Hand berührte mich an der Schulter, und als ich aufsah, blickte ich in ein breitflächiges, dunkles Gesicht, das mich besorgt musterte. Ich hatte nicht einmal gemerkt, dass Rowlf neben mir niedergekniet war.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    »Ja«, sagte ich und schüttelte den Kopf. Rowlf lächelte, schob seine gewaltigen Pranken unter meinen Rücken und richtete mich ohne sichtbare Anstrengung auf.
    »Was … mein Gott, was war das?« stammelte ich hilflos.
    Rowlf antwortete nicht, sondern stand schweigend auf und stellte mich wie ein Spielzeug auf die Füße, stützte mich aber, als mein verletzter Fuß unter dem Gewicht meines Körpers nachzugeben drohte.
    »Bring ihn in die Kutsche«, sagte Howard. Rowlf knurrte irgend etwas, nahm mich kurzerhand auf die Arme und trug mich trotz meiner Proteste in die Kutsche. Behutsam setzte er mich ab, lächelte noch einmal und ging wieder nach vorne zum Bock. Wenige Sekunden später stieg auch Howard gebückt zu mir herein, zog die Tür hinter sich zu, und der Wagen setzte sich in Bewegung.
    »Das war knapp«, sagte er lächelnd, nachdem er sich gesetzt und mich einen Moment lang prüfend angesehen hatte.
    »Ich … ich danke dir für die Hilfe«, murmelte ich verstört. »Aber woher …«
    Howard lächelte. »Woher ich es gewusst habe? Gar nicht. Aber ich hatte das Gefühl, dass es besser ist, wenn ich dir nachfahre. Wie sich gezeigt hat, hat es nicht getrogen.«
    »Was war das?«, fragte ich. »Dieses Ungeheuer …«
    »Ein Shoggote«, antwortete Howard gelassen. »Ein kleiner Bruder von Yog-Sothoth, wenn du so willst.« Er schwieg einen Moment und beugte sich vor, um meinen verletzten Fuß zu begutachten. »Aber das erkläre ich dir alles später«, fuhr er in verändertem Tonfall fort. »Jetzt bringe ich dich erst einmal zu einem befreundeten Arzt. Und danach fahren wir gemeinsam ins Hotel und packen. Ihr seid dort nicht mehr sicher.«
    »Und der Anwalt?«
    Howard winkte ab. »Dr. Gray ist nicht nur mein Anwalt«, sagte er, »sondern auch mein Freund. Er wird ins Haus kommen, wenn ich Rowlf zu ihm schicke und ihm die … äh … Umstände erklären lasse. Priscylla und du werdet erst einmal bei mir bleiben müssen. Ich fürchte, ich habe unsere Gegner unterschätzt.«
    »Ja«, seufzte ich, »Das scheint mir auch so.«
    Über dem Fluss hing Nebel, und von seiner Oberfläche stieg ein eisiger, unwirklicher Hauch empor. Es war kalt, viel zu kalt für die Jahreszeit, selbst hier auf der Themse, und es war der siebte oder achte Morgen hintereinander, an dem zusammen mit der Dämmerung auch dieser Nebel heraufgezogen war und mit seinen wogenden grauen Schwaden das Licht verschluckte und das Erwachen des Tages hinauszögerte.
    Mortenson zündete sich mit klammen Fingern eine Zigarre an, schnippte das Streichholz in den Fluss und stützte sich schwer auf die rostzerfressene Reling. Das Patrouillenboot lag träge im Wasser. Reglos, so wie es die ganze Nacht über dagelegen hatte, mehr als elf Stunden, seit Mortenson seinen Dienst antrat.
    Aus müden, rotumrandeten Augen blickte er nach Osten. Der Nebel war dichter geworden; selbst die beiden Türme der Tower-Bridge schimmerten nur noch als

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