Die Hexe
alles antun würde. »Kann ich dann meine Leute rufen?«
»Vielleicht sollten das doch lieber wir übernehmen«, meinte Leka besorgt. »Die Humos machen womöglich Polpa Nawese aus dem armen Kerl, ohne auch nur das Geringste aus ihm herauszubekommen, und wir dürfen dann für den Rest unseres Leben auf den Plantagen Nachtfalter jagen.«
»Keine Sorge, der wird reden«, beruhigte ihn Muba. »Er sieht nicht so aus, als würde er sich gern abschlachten lassen.«
»Sehen Sie, Mister O’Brian, Sie sind ein begehrter Mann«, setzte Andrej sarkastisch fort. »Die Polizei interessiert sich für Sie, der Herr Frolow möchte sich um Sie kümmern und wer weiß …« – Kornilow setzte dem Schwarzen den Finger auf die Brust – »… womöglich hätten auch die Herrscherhäuser eine Freude an Ihnen? Wie wäre es mit einem kleinen Spaziergang in die Zitadelle? Wie man hört, sind die Nawen geradezu begeistert von Ihren Umtrieben.«
Mohammed schwieg eisern.
»Mein letztes Angebot«, seufzte Andrej. »Du kannst dir aussuchen, mit wem du zusammenarbeitest. Erste Möglichkeit: mit mir. In diesem Fall erwartet dich eine Anklage wegen des Banküberfalls, wegen des Mordes an Waliko Garadse (guter Plan, dachte Muba bei sich) und vielleicht wegen versuchten Mordes an Herrn Frolow. Ich kann doch auf deine Aussage zählen, Edik?«
Der Mafioso verzog nur angewidert das Gesicht.
»Wobei, wenn du dich gut führst, könnten wir die Anklage wegen des Mordes an Waliko auch fallenlassen.« Der Major schenkte dem nachdenklich gewordenen Schwarzen ein gewinnendes Lächeln. »Schließlich weiß ich ja, dass nicht du ihn umgebracht hast.«
»Und was sind die Alternativen?«
»Ich überlasse dich Herrn Frolow.« Andrej dachte kurz nach. »Oder noch besser dem Dunklen Hof. – Na, kommen wir ins Geschäft?«
Mohammed nickte resigniert.
»Die Adresse.«
»Ich zeige Ihnen den Weg.«
Kornilow zögerte einen Augenblick, doch nach einem Blick auf den Haifisch an Mohammeds Brust willigte er ein.
»In Ordnung. Mach’s gut, Edik. Wir fahren.«
»Einen Moment, Major.« Der schmächtige Bandit setzte sich die Brille auf und seine Augen funkelten eiskalt. »Wir werden zusammen fahren.«
»Mach keinen Unsinn, Edik. Du hast auch so schon genug Probleme.«
»Deshalb fahre ich ja mit. Das ist eine persönliche Angelegenheit.«
Zentrale des Konzerns T-Grad-Com
Moskau, 1. Brestskaja-Straße
Samstag, 30. September, 17:00 Uhr
Im luxuriösen Büro des Vizepräsidenten der T-Grad-Com spiegelte sich das Chaos wider, das den Konzern in jenen Stunden erfasst hatte. In der einen Ecke unterzogen einige grimmige Nawen, unter ihnen der Security-Mann Boga, den vor Angst zitternden Mitja einem Schnellverhör. In der anderen Ecke verharrte Zorro in der üblichen Pose – Gesicht zur Wand und Beine gespreizt – und verwünschte den Tag, an dem er bei Edik angeheuert hatte. Jegor selbst saß mit zerrauftem Haar und loser Krawatte an seinem Schreibtisch und starrte angespannt auf den Bildschirm seines Computers.
»Wie sieht’s aus?«, erkundigte sich Ortega und setzte sich an die Tischkante. »Haben die Hacker viel Schaden angerichtet?«
»Es sieht übel aus«, antwortete Jegor. »Verdammt übel.« Er lehnte sich zurück und massierte sich den Nacken. »Im Augenblick haben wir zwei Probleme. Das erste ist ein Virus, der sich durch unser System frisst. Programmiert hat ihn dieser Admin, einer der Hacker. Er sitzt mit ein paar netten Betreuern im Technikraum und hat Stein und Bein geschworen, dass er sein aggressives Baby innerhalb von zehn bis zwanzig Minuten stoppen wird. Das zweite Problem ist wesentlich ernster.«
»Die Datenbank?«, erriet Ortega.
»Um das System vollständig wiederherzustellen, brauchen wir ein bis zwei Tage, die Zeit bis dahin überbrücken wir mit Behelfslösungen.« Jegor seufzte. »Leider haben die Hacker es geschafft, die Datenbank zu kopieren. Auf ihren Festplatten ist sie nicht mehr, ihr Auftraggeber hat sie mitgenommen.«
Ortega legte die Stirn in Falten. »Das bedeutet …«
»Das bedeutet, dass jemand sie gestohlen hat und nun im Besitz sämtlicher Daten über die Verborgene Stadt ist.«
Moskauer Umland
Samstag, 30. September, 17:01 Uhr
In der friedlichen Stille des Waldes wirkte das nervige Geträller eines Mobiltelefons völlig deplatziert, wie ein Geräusch aus einer anderen, überflüssigen Welt. Santiago, der nachdenklich auf einem Baumstumpf saß, zog das kleine schwarze Handy langsam
Weitere Kostenlose Bücher