Die Hexe
nächsten subtilen Schachzug mit einer unbedeutenden, doch vorläufig nützlichen Randfigur, einem weiteren Humo, der sich für unheimlich wichtig hielt. Die Zauberin griff zu ihrem Mobiltelefon, das auf einem Hocker neben der Wanne lag, und tippte die Nummer von Professor Serebrjanz ein.
»Nur wenn wir uns zusammentun, nur wenn jeder Einzelne seine Kräfte in den Dienst der gemeinsamen Sache stellt, wird es uns gelingen, die Humanoiden zu besiegen und den Planeten von ihrer bösartigen Gesinnung zu befreien! Nur so verhelfen wir den wahren russischen Werten zum Sieg und unsere Nachkommen werden es uns danken! Unsere Seele muss rein sein, aber unnachgiebig! Wir müssen handeln! Um der Menschheit willen! Es ist unsere heilige Pflicht!!!«
Lew Moisejewitsch Serebrjanz hielt inne und führte hastig das Wasserglas zum Mund.
»Unsere heilige Pflicht«, wiederholte die lispelnde junge Frau, die das Gesülze des Professors mitstenografierte. »Ein wahrlich großartiger Gedanke! Wie schon unsere Urväter gegen das üble Geschmeiß zu Felde zogen, so werden auch wir unser Leben geben und unsere heilige Pflicht erfüllen! Denn darin liegt die reine Wahrheit und das Vermächtnis unserer Vorfahren!«
»Sehr richtig, Sofotschka«, lobte Serebrjanz und ergötzte sich am Anblick der hübschen Knie, die unter dem Rock der Frau hervorlugten.
Lange genug hatte sich niemand für die Weisheiten des Professors interessiert, nun war er dankbar um jeden Zuhörer, der gebannt an seinen Lippen hing. Selbst um die etwas dümmliche Sofotschka, die an einem haarsträubenden Sprachfehler und darüber hinaus an pathologischer Slawophilie litt. Nun, immerhin konnte sie gut stenografieren.
Lew Moisejewitsch trank sein Wasser aus, wischte sich die Lippen ab und nahm den Gedankenfaden wieder auf. Er arbeitete an einer Vorlesung für die Universität.
»Die Wiederaufnahme der Inquisition ist für die Menschheit überlebenswichtig und untrennbarer Bestandteil unseres Existenzkampfes. Die Bevölkerung der Erde muss einer genetischen Säuberung unterzogen werden. Alle humanoiden Elemente müssen ausfindig gemacht und …«
Welches Schicksal genau der Professor für die humanoiden Elemente vorgesehen hatte, würde Sofotschka erst beim nächsten Mal erfahren, denn in diesem Augenblick vibrierte und trällerte das Mobiltelefon auf dem Schreibtisch.
»Eine idiotische Erfindung«, schimpfte Serebrjanz und nahm den Anruf an. »Ja bitte?!«
»Lew Moisejewitsch?«
»Kara?« Das Gesicht des Professors verzog sich zu einer Fratze der Rührung und er verkrümmte unterwürfig sein klapperiges Gestell, so als könnte die Zauberin diese Demutsgeste tatsächlich sehen. »Ich habe Ihren Anruf voller Ungeduld erwartet.«
Auf eine unmissverständliche Geste hin verließ die verständige Sofotschka eilig das Büro.
»Wie geht es Ihnen, Lew Moisejewitsch?«
»Ich kann nicht klagen.« Serebrjanz besann sich. »Dank Ihnen, versteht sich, meine Wohltäterin.«
In seiner Stimme lag nicht der geringste Anflug von Ironie oder Spott. Der Professor wusste sehr gut, was er der rätselhaften und mächtigen Frau zu verdanken hatte.
»Wann kommt Ihr Buch heraus?«, erkundigte sich Kara. »Jetzt ist mir doch glatt der Titel entfallen …«
» Der Mensch. Die Philosophie des Sieges «, antwortete Serebrjanz beflissen. »Es erscheint in drei Tagen. Der Verlag hat es hoch und heilig versprochen.«
Kein Wunder, dachte Kara bei sich, angesichts der horrenden Summe, die Edik für die Veröffentlichung hingeblättert hatte.
»Haben Sie in Sachen Werbung schon etwas unternommen? «
»Gestern waren die Leute von der Agentur hier«, bestätigte Serebrjanz. »Ab morgen läuft im Fernsehen und im Radio eine Werbekampagne für das Buch. Übermorgen erscheinen dann ganzseitige Anzeigen in allen großen Tageszeitungen und Zeitschriften. Eine Woche nach dem Erscheinen des Buches organisieren wir eine Rezension durch die Akademie der Wissenschaften.«
»Dann wird Ihr Buch bestimmt ein Bestseller.«
»Je länger ich Sie kenne, Kara, desto mehr habe ich den Eindruck, dass ich träume«, gestand der Professor wahrheitsgemäß. »Alles fügt sich genau so, wie ich es mir schon immer sehnlichst gewünscht habe.«
»So ist das Leben, Lew Moisejewitsch.« Kara lächelte. »Ich hoffe, ich kann auf eine kleine Gefälligkeit Ihrerseits rechnen?«
»Aber selbstverständlich, Kara, was immer Sie wollen! «
»In nächster Zeit kommt einiges an Arbeit auf Sie zu, Professor. Es stehen
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