Die Hexe
Ereignisse an, die Ihre Theorien bekräftigen werden, und Sie sollten der Erste sein, der die Bürger davon in Kenntnis setzt.«
»Es wird mir eine Freude sein, dies zu tun«, jubelte der Professor. »Wenn ich richtig verstanden habe, werden Sie also in Kürze damit beginnen, mit dem humanoiden Pack abzurechnen.«
»So ist es.«
»Ihr Vorhaben ist eine historische Mission, Kara, und es ehrt mich, dass ich in diesen Zeiten an Ihrer Seite stehen darf. Wir müssen diesen verkommenen Subjekten zeigen, wer Herr im Hause ist auf diesem Planeten.«
»Ganz meine Meinung, Professor. Man wird Ihnen entsprechendes Beweismaterial zuspielen – halten Sie sich bereit.«
Dieser Fanatiker wird ganze Arbeit leisten, dachte Kara zufrieden, legte das Handy beiseite und schloss die Augen.
Eine gefühlte Ewigkeit hatte der Professor ebenso besessen wie erfolglos nach Beweisen für die Existenz der Verborgenen Stadt gesucht und den beißenden Spott seiner Kollegen ertragen müssen. Nun, da der Erfolg zum Greifen nahe war, würde er sich wie ein Pitbull in jenes »humanoide Pack« verbeißen, das er für die Ausgeburt des Bösen hielt. Die Humanoiden sollten es bitter bereuen, dass sie den schrulligen Wissenschaftler seinerzeit nicht ernst genommen und über seine hilflosen Versuche, sie zu enttarnen, gelacht hatten. All die Misserfolge und Demütigungen, die er ihretwegen einstecken musste, würde er ihnen nun heimzahlen.
Als Kara auf Serebrjanz aufmerksam wurde, hatte sich dieser in einem beklagenswerten Zustand befunden: von niemandem Ernst genommen, von den Kollegen verlacht, verarmt und ohne Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Doch schon damals war ihr seine beeindruckende Zähigkeit aufgefallen. Er war gescheitert, aber nicht gebrochen, und in seinen Augen leuchtete heiliger Zorn. Eine Weile behielt Kara den Professor einfach nur im Auge als potenziell nützliche Figur für ihr Vorhaben, und erst als sie sich davon überzeugt hatte, dass er genau der Richtige für ihre Zwecke war, nahm sie direkten Kontakt zu ihm auf. Es war ein Leichtes gewesen, den demoralisierten, nach Anerkennung lechzenden Wissenschaftler anzuwerben. Als er auf ihre Veranlassung finanzielle Unterstützung von Edik bekam, wäre er bereit gewesen, ihr die Füße zu küssen. Darauf konnte Kara indes getrost verzichten. Sie erwartete etwas ganz anderes von Serebrjanz, nämlich einen massiven Angriff auf die Verborgene Stadt über die Massenmedien. Niemand anderen als Lew Moisejewitsch hatte sie dafür vorgesehen, den Moskauer Bürgern die Augen zu öffnen und unter den Humanoiden Panik zu stiften. Diese Aufgabe war ein entscheidender Teil ihres Plans und sie war zuversichtlich, den richtigen Mann dafür gefunden zu haben.
Endlich!
Nach dem Telefonat mit Kara hüpfte der Professor euphorisch durch sein Büro.
Endlich trat ein, worauf er so lange gewartet hatte! Endlich hatte sich jemand gefunden, der in der Lage war, dem humanoiden Gesindel zu Leibe zu rücken. Und diese Person griff auf seine Unterstützung zurück! Diese Person brauchte Serebrjanz, schätzte seinen Verstand und sein Talent! Diese Person war ein Genie!
Lew Moisejewitsch Serebrjanz hatte noch nie im Leben einen Humanoiden gesehen. Genauer gesagt: Das hatte er wohl, er hatte es nur nicht mitbekommen. Der Professor verfügte über keinerlei magische Fähigkeiten und hatte auch nicht die leiseste Ahnung, dass Kara eine Zauberin war. Sein gesamtes Wissen über die Verborgene Stadt beruhte auf blanker Theorie. Die Informationen für seine gewagten Hypothesen hatte er aus Bibliotheken, Gerüchten und Legenden geschöpft und sie klug zu einem schlüssigen Gesamtbild zusammengefügt. Getrieben von einem ausgeprägten Sendungsbewusstsein, setzte er sich dabei über alle Zweifel und Widerstände hinweg. Er hätte es sich wahrlich auch leichter machen können …
Nach dem Studium der Geschichte war der junge Lew als Aspirant an der Universität geblieben. Ein schnöder Routinejob interessierte ihn nicht, er strebte nach Höherem und nur die Wissenschaft bot ihm die Aussicht auf eine glanzvolle Karriere. So stürzte sich Lew mit Feuereifer in die Forschungsarbeit. Die ersten Veröffentlichungen des frischgebackenen Historikers waren relativ belanglos, doch immerhin verhalfen sie ihm zu einer eigenen Wohnung. Schritt für Schritt arbeitete sich Serebrjanz nach oben, wurde Doktor der Wissenschaften und Professor. Neben den akademischen Weihen erwarb er sich die für seinen Berufsstand typischen
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