Die Hexe
verströmte eine angenehme Wärme in Kornilows Bauch.
»Sieht’s arg übel aus, dort drüben?«
Kornilow nickte.
»Und, was meinst du dazu?«
»Was ich meine?« Andrej stellte das leere Glas neben sich auf das Sofa und klopfte die Asche seiner Zigarette hinein. »Ich meine, ihr hättet hier lieber nicht mit Rauschgift handeln sollen. Irgend so ein Junkie hat sich damit vollgepumpt, bis er nur noch grüne Männchen sah, und dann beschlossen, sie mit der Motorsäge zu bekämpfen. Danach sieht es jedenfalls aus nebenan.«
»Quatsch, wir verhökern hier kein Dope. Erzähl keinen Scheiß, Major«, empörte sich abermals Waliko.
Andrej lächelte ironisch.
»Komm schon, Kornilow, lass uns ernsthaft reden«, schlug der besonnene Gori vor. »Du weißt doch genau, dass deine Version mit dem Rauschgift Humbug ist. Ein völlig zugedröhnter Zombie hätte so ein Gemetzel nicht anrichten können. Das war eine geplante Aktion.«
»Was für eine Aktion?«
»Du weißt schon, was ich meine. Seit Wachtang tot ist, spechten Chamberlains Leute auf unser Geschäft. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Überfall von langer Hand geplant war. Und zwar bis ins kleinste Detail.«
»An welche Details denkst du konkret?«
»Diese Typen haben nicht nur alles niedergemacht und sind dann wieder gegangen«, erläuterte Kacha. »Sie haben sogar die Videokassetten aus der Wachstube mitgenommen. «
»Von den Überwachungskameras im Gastraum?«
»Ja.«
»Ich dachte, eure Leute hätten die rausgenommen?«
»Nein, Kornilow, ich schwör’s dir. Als meine Leute nachsahen, waren die Kassetten schon weg.«
»Hast du deine Leute befragt?«
»Keiner von ihnen hat irgendwas gesehen.«
Kornilow glaubte Gori. Der Bandit war selbst an einer schnellen Aufklärung der Sache interessiert.
»Das ist schlecht.«
»Kassetten, Disketten – ist doch völlig egal«, wetterte Waliko. »Auf jeden Fall steckt Chamberlain dahinter und seine miese Fresse würden wir auf den Kassetten sowieso nicht finden.«
Der dicke Bandit stand auf und marschierte zur Tür.
»Wo willst du hin?«, fragte Kacha und versuchte, ihn zurückzuhalten.
»Dieser Missgeburt werde ich’s zeigen!«, versetzte Waliko. »Wenn du keine Lust hast, dann mach’s eben ich ! Das bedeutet Krieg! Du kannst dich auf turbulente Zeiten einstellen, Kornilow.«
Waliko stürmte entschlossen aus dem Büro.
»Ich hoffe, du kannst ihn aufhalten?«, erkundigte sich Andrej und wedelte besorgt mit der Hand.
»Ich werde mein Bestes tun, aber leicht wird es nicht«, erwiderte Kacha. »Erst Rioni, jetzt dieser Überfall. Ist doch klar, dass die Jungs auf Rache sinnen.«
»Derjenige, der hinter diesem Überfall steckt, hat es nicht auf euer Geschäft abgesehen, Gori«, sagte Andrej bedächtig. »Er verfolgt andere Ziele. Und eines davon besteht darin, euch und Chamberlain gegeneinander aufzuhetzen.«
»Wie willst du das beweisen?«, fragte Kacha skeptisch.
»Ich brauche zwei Tage, um den Dreckskerl, der das angerichtet hat, zu verhaften. Und ich möchte, dass deine Leute sich in dieser Zeit ruhig verhalten. General Schwedow hat dem Bürgermeister versprochen, dass es keinen neuen Bandenkrieg geben wird.«
»Und was wird in zwei Tagen?«
»In zwei Tagen wird es keinen Grund mehr für einen Bandenkrieg geben.«
»Okay, Kornilow«, willigte Kacha ein. »Ich werde mit meinen Leuten reden. Aber du hast nur zwei Tage Zeit.«
Zitadelle, Hauptquartier des Herrscherhauses Naw
Moskau, Leningradski-Prospekt
Freitag, 29. September, 10:01 Uhr
In seinem Privatkabinett empfing der Fürst des Dunklen Hofs nur ausgewählten Besuch. Der Gebieter des Herrscherhauses Naw schätzte Beratungen im kleinen Kreis. Größere Zusammenkünfte im eigens dafür vorgesehenen Saal waren ihm dagegen ein Graus – nicht zuletzt wegen der übertriebenen Meinungsvielfalt.
Auch an diesem Tag verloren sich im Halbdunkel um den Stuhl des Fürsten nur vier Silhouetten: Drei davon gehörten den Ratsherren, die in dunkelblaue Mäntel gehüllt waren, die letzte Ortega, der als Santiagos Stellvertreter an den Beratungen teilnahm. Im Unterschied zu seinem Chef wagte es Ortega nicht, dem Gebieter des Dunklen Hofs in einem Humo-Anzug gegenüberzutreten, sondern trug einen dem Anlass angemessenen schwarzen Umhang.
Ortega war es auch, der die Besprechung eröffnete, indem er die offizielle Presseerklärung des Herrscherhauses Tschud verlas. Nachdem er geendet hatte, schwiegen die Ratsherren eine Weile, da sie
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