Die Hexe
schwarzhaarige, kräftig gebaute Mann und streckte ihm die Hand entgegen.
»Hallo Surab, mein Lieber«, grüßte er freudig. »Sag mal, muss ich mir noch lange das Genöle von diesen Polizeitrotteln anhören?«
Kornilow wusste bereits, dass Surab Kuraschwili der Leiter des Sicherheitsdienstes der Schaukel war und der Zeuge dessen leiblicher Bruder. Man hatte Andrej vorgewarnt, dass der verwirrte Mann wildfremde Leute für seinen Bruder hielt.
»Gedulde dich noch ein wenig, Georgi.« Der Major hielt es für das Beste, das Spiel mitzuspielen. »Wie geht’s dir?«
»Schlecht, Surab«, erwiderte der Wachmann, schaute sich ängstlich um und fügte hinzu: »Ich habe den Teufel gesehen.«
»Bist du dir da sicher, Georgi?«
»Ganz sicher.« Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: »Du glaubst mir doch, Surab?«
»Aber natürlich.«
»Oder hältst du mich auch für verrückt?«
»Aber nein, Georgi, warum sollte ich?« Kornilow seufzte. »Wie sah er denn aus, der Teufel?«
»Furchterregend«, flüsterte der Wachmann. »Er ist stark und pfeilschnell. Er hat Hörner und einen Schwanz und seine Augen leuchten grün.« Die Lippen des hünenhaften Georgi Kuraschwili verzerrten sich zu einem irren Lächeln. »Und der Teufel riecht nach Pfirsichen.«
Die Schwarzen Morjanen in der Verborgenen Stadt rochen nach Pfirsich. Andrej hatte von diesen unberechenbaren Monstern schon gehört, und die Schilderungen der Zeugen bestätigten seinen Verdacht: Das Blutbad in der Schaukel hatte eines dieser Wandelwesen angerichtet.
Die Tür zum Büro des Geschäftsführers der Schaukel wurde von zwei monströsen Kaukasiern bewacht, deren aufgepumpte Physiognomie nur durch massiven Anabolikamissbrauch erklärbar war. Die beiden trugen schicke Anzüge in der Stilrichtung »Al Capone im Familienkreis am Swimmingpool«. Der gestreifte Stoff dieser putzigen Uniformen harmonierte hervorragend mit den weißen Socken und unrasierten Visagen der Bodyguards.
Der Geschäftsführer selbst weilte fragmentiert im Gastraum und in seinem nunmehr herrenlosen Büro erwarteten Kornilow die Eigentümer des Etablissements, die Nachfolger des legendären Wachtang Rioni.
Der schmächtige Major ging grußlos an den beiden Gorillas vorbei und trat mit dem Fuß gegen die schwere Tür.
»Hey, wohin?«, bellte einer der Leibwächter.
Kornilow gab ihm keine Antwort. Der Kaukasier überlegte kurz und beschloss, lieber keinen Ärger zu riskieren.
Im Büro traf der Major zwei Männer an: den hoch aufgeschossenen, ganz in Schwarz gekleideten Kacha Gori und den fetten Waliko Garadse, der auf den Spitznamen Jumbo hörte und einen zerknitterten Anzug aus englischem Tuch trug. Während Kacha mit einer Zigarette in der Hand auf und ab ging, lümmelte sein korpulenter Kompagnon im Chefsessel des Geschäftsführers und schlürfte von Zeit zu Zeit an einer Tasse Kaffee. Das Erscheinen des Majors löste bei den Gangstern naturgemäß keine überschwängliche Freude aus, und Waliko zögerte nicht, seinen angestauten Groll zu artikulieren.
»Hör mal, Kornilow, wieso lässt man uns nicht mit Kuraschwili sprechen, hä? Das ist unser Mann, oder nicht? Wir müssen mit ihm sprechen, klar? Und wieso lässt man uns nicht in den Gastraum, hä? Das ist schließlich unser Club, oder nicht? Wir wollen wissen, was dort drin passiert ist …«
»Das würde ich auch gern wissen«, warf der Major ein. »Fällt euch was dazu ein?«
»Und ob uns dazu was einfällt!«, bestätigte Waliko. »Soll ich dir mal was sagen …«
»Warte, Jumbo«, unterbrach Gori seinen aufgebrachten Kompagnon. »Kornilow, was ist mit Georgi?«
»Er lebt«, erwiderte Andrej lapidar. »Und in ein paar Tagen erinnert er sich vielleicht auch wieder an seine Verwandtschaft.«
»Geht’s ihm wirklich so schlecht?«
»Durchwachsen, würde ich sagen.« Der Major setzte sich aufs Sofa und zündete sich eine Zigarette an. »Und überhaupt, Kacha, ihr solltet den Laden umbenennen. Was hältst du von Nachtclub Schlachthaus ? Enthauptungen und Vierteilungen mit Stripteaseeinlagen. Das wäre doch was …«
»Findest du das witzig?«, entrüstete sich Waliko.
»Er hat das wohl noch nicht ganz verdaut, was er dort drüben gesehen hat«, sprang Gori dem Major bei. »Selbst ein hartgesottener Polizist hat keine Nerven aus Stahl.« Kacha ging zur Bar und schenkte zwei Fingerbreit Gin in ein Glas. »Trink, Major.«
Andrej überlegte kurz und nickte.
»Den kann ich jetzt wirklich vertragen.«
Der in einem Zug geleerte Schnaps
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