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Die Hexe

Die Hexe

Titel: Die Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
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Ordnung sorgte: offenbar der legendäre Afghanistanveteran Petschorin.
    »Böse Sache«, resümierte Andrej und zog an seiner Zigarette. »Gibt es Überlebende?«
    »Dreizehn Schwerverletzte liegen im Sklif , die meisten in einem kritischen Zustand.«
    »Werden sie entsprechend abgeschirmt?«
    »Ja, ihre Kollegen aus dem Präsidium haben veranlasst, dass in der Klinik Wachposten aufgestellt werden.«
    »Sehr gut.«
    Gewiss hatte sich der umsichtige Schustow darum gekümmert. Kornilows Stellvertreter wusste nur zu gut, dass einer neugierigen Journalistenmeute alles zuzutrauen war.
    »Sieht so aus, als hätte da jemand zu viele Horrorfilme geguckt.« Der Major schielte auf einen abgetrennten Kopf, der unter einem wie durch ein Wunder heil gebliebenem Tisch lag, und wandte sich an Koslow: »Was meinen Sie, Kapitän, war da jemand mit einer Motorsäge am Werk?«
    »Wir haben zwei Zeugen hier, drüben im Nebenraum«, erwiderte Koslow. »Die Notärzte haben ihnen Beruhigungsmittel gespritzt und empfohlen, sie vorläufig in Ruhe zu lassen. Aber wenn Sie wollen, können wir versuchen, mit ihnen zu sprechen.«
    »Geht’s ihnen denn wirklich so schlecht?«
    »Der eine Zeuge gehört offenbar zum Sicherheitspersonal des Clubs. Wir haben ihn in der Toilette gefunden. Dort hatte er sich eingeschlossen und jedes Mal das Feuer eröffnet, wenn sich jemand der Tür näherte. Wir konnten ihn erst rausholen, nachdem ihm die Patronen ausgegangen waren.«
    »Und der zweite Zeuge?«
    »Eine junge Frau aus dem Publikum, sie hatte sich unter einem umgedrehten Korbsessel versteckt.«
    »Waren die beiden während des Überfalls im Gastraum? «
    »Ja.«
    »Gut«, sagte Andrej. »Um die beiden kümmere ich mich persönlich.«
     
    Die junge Frau hieß Lena. Lena Sacharowa.
    Im ersten Moment hielt Kornilow sie für eine Prostituierte aus der Gegend; das grelle Make-up und das provozierend offenherzige Kleid legten diesen Schluss nahe. In Wahrheit bewegte sich die Zeugin in einem anderen, etwas weniger übel beleumundeten Milieu. Lena Sacharowa arbeitete als Kassiererin in der Wechselstube einer Bank und pflegte ein intimes Verhältnis zum stellvertretenden Chef der Security des Geldinstituts – einem gewissen Wolodja. Andrej verzichtete darauf nachzufragen, wie lange diese Liaison bereits anhielt. Den Abend in der Schaukel jedenfalls verbrachten Lena und Wolodja in Begleitung zweier weiterer Pärchen, die beim selben Arbeitgeber beschäftigt waren: der Rioni Finance Bank .
    »Zuerst hat Wera geschrien«, erzählte Lena mit tonloser Stimme und starrte dabei auf den Boden. »Wie am Spieß! Man hörte nicht einmal mehr die Musik. Dann ist Wolodja aufgesprungen und hat mich an der Hand genommen. «
    Die Augen der jungen Frau füllten sich mit Tränen, sie machte jedoch nicht den Eindruck, im nächsten Augenblick einen hysterischen Anfall zu bekommen.
    »Wolodja hat nach vorne geschaut, zur Bühne, und dann geschrien: Weg hier! Aber in dem Moment sind alle losgerannt und es brach totale Panik aus. Vor dem Ausgang stauten sich die Menschen und es gab ein fürchterliches Gedränge. Alle schrien durcheinander, schlugen um sich und viele stürzten zu Boden. Es fielen auch Schüsse, aber das war nicht Wolodja, der hatte keine Waffe dabei. Auf einmal bekam ich einen Schlag ins Gesicht.« Lena griff mechanisch an den blutunterlaufenen blauen Fleck unter ihrem Auge. »Ich bin hingefallen und habe Wolodja aus den Augen verloren. Ich hatte Angst, dass man mich tottrampelt, und bin deshalb unter den umgestürzten Korbsessel gekrochen.«
    »Haben Sie die Angreifer gesehen?«, fragte Kornilow möglichst unaufdringlich.
    »Nein, aber gehört.« Lena schniefte stoßweise. »Als alles wieder ruhig war, ist jemand ganz dicht an dem Korbsessel vorbeigegangen, unter dem ich mich versteckt hatte. Ich habe mich ganz stillgehalten und er hat mich nicht gesehen.«
    »Und Sie ihn?«
    »Nein, ich habe nur seine Schritte gehört.« Lenas Lippen begannen zu zittern, als sie die beklemmende Szene noch einmal durchlebte. »Wissen Sie, das waren ganz schwere, bedrohliche Schritte. Und dann dieser Geruch …«
    »Was für ein Geruch?«
    »Reife Pfirsiche.« Die Zeugin sah den Major an. »Vielleicht bilde ich mir das nur ein, aber ich hatte den Eindruck, dass die Schritte und der Geruch zusammengehören. «
     
    Um den zweiten Zeugen war es wesentlich schlechter bestellt. Das traumatische Erlebnis hatte seinen Verstand völlig zerrüttet. Als Andrej in den Raum kam, lächelte der

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