Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hexe

Die Hexe

Titel: Die Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vadim Panov
Vom Netzwerk:
Zauberspruch. Die Luft über dem Tischchen verdichtete sich und vor Kara erschien ein dreidimensionales Bild vom Ort des kommenden Geschehens. Die Zauberin blickte zur Uhr: nur noch wenige Minuten …
    Den Stau auf dem Blumenboulevard konnte man getrost zu den Moskauer Sehenswürdigkeiten rechnen. Nicht zu den beliebtesten vielleicht, doch seine immerwährende Präsenz schien für die Stadt ebenso schicksalhaft wie die des Kreml. Egal, zu welcher Tages- und Nachtzeit – auf der schmalen Fahrbahn, die in den Gartenring mündete, staute sich eine endlose Blechlawine und nebelte die kränklichen Bäumchen des Boulevard mit ihren Abgasen ein.
    Wassja, ein rothaariger Techniker vom Otis -Service, brachte seinen 4er Lada hinter dem wuchtigen Heck eines Saab zum Stehen, hielt resigniert nach der Ampel Ausschau, die irgendwo in weiter Ferne leuchtete, zündete sich eine Zigarette an und suchte im Autoradio nach einem unterhaltsamen Sender. Das konnte länger dauern!
    Neben Wassjas 4er hielt plötzlich ein dicker schwarzer Mercedes am Straßenrand, der von einem Jeep eskortiert wurde. Der Jeep stand noch gar nicht richtig, als sich seine Türen öffneten und ein ganzer Trupp von monströsen Leibwächtern auf die Straße sprang. Solche Bilder gehörten längst zum Moskauer Lokalkolorit, deshalb warf Wassja nur einen gelangweilten Blick auf die Limousine und wandte sich wieder seinem Autoradio zu.
     
    Gestützt auf die Hand des Chefs seiner Leibwache, schwang Waliko Garadse seinen gewaltigen Schaschlikfriedhof aus dem Mercedes und inspizierte mit seinen kleinen schwarzen Äuglein den Boulevard.
    »Was rennt denn dort für ein Penner rum?!«, empörte sich der Bandit, als er einen einsamen, weißhaarigen alten Mann entdeckte, der mit einem Einkaufsnetz in der Hand über den Bürgersteig trippelte. »Wie oft muss ich euch das denn noch sagen?! Wenn ich aus dem Auto steige, will ich kein solches Gesindel sehen! Es beleidigt meine Augen!«
    Der Chef der Leibwache schnitt eine schuldbewusste Grimasse und ging auf den greisen Störenfried zu. Die übrigen Bodyguards schauten betreten zu. Der Boss war heute wieder einmal miserabel gelaunt.
     
    Muba empfand die Wortwahl des dickbäuchigen Gangsters als zutiefst ehrenrührig. Bei der Auswahl des Trugbilds für diesen Auftrag hatte er sich einige Mühe gemacht und nun sahen die Passanten den Chwanen als gepflegten alten Herrn, der würdevoll seines Weges ging, um im nächsten Lebensmittelladen seinen Kefir zu kaufen. Gewiss, seine Kleidung war ein wenig ärmlich, aber immerhin sauber. Nur ein unerzogener, blasierter Humo konnte die Frechheit haben, diesen braven Rentner als Penner und Gesindel zu verunglimpfen.
    Muba ignorierte den drohenden Blick des Leibwächters und ging einen weiteren Schritt auf sein Opfer zu.
    »Gossenvolk, wo man hinschaut!«, wetterte Waliko weiter. »Wo leben wir überhaupt, in der Hauptstadt oder wo? Man könnte, meinen, dass die Penner hier extra gezüchtet werden …«
    Das waren die letzten Worte von Waliko Garadse alias Jumbo und sie gingen gar nicht weit an der Wahrheit vorbei.
     
    Gespannt beobachtete Kara, wie der Chwan sich Waliko näherte. Die Zauberin hatte bereits bemerkt, dass Muba das Trugbild mit Hilfe eines Artefakts bewerkstelligt hatte, das als unauffälliges Amulett um seinen Hals hing. Dieses Artefakt musste sie nur entladen, dann würden die Passanten sofort sehen, wer sich hinter der Maske des weißhaarigen Mannes verbarg. Die entsprechende Zauberformel war nicht kompliziert, aber ziemlich lang. Zum größten Teil hatte die Zauberin sie bereits gesprochen und wartete nun auf den entscheidenden Moment, um das letzte Wort hinzuzufügen.
     
    Wassja warf die Zigarettenkippe aus dem Fenster, überlegte kurz und spuckte ihr hinterher. Auf dem Bürgersteig hörte man laute Stimmen. Die Leibwächter des Fettwanstes, der aus dem schwarzen Mercedes gestiegen war, verscheuchten einen alten Mann, der ein Einkaufsnetz in der Hand hielt.
    Diese Flegel meinen, sie könnten sich alles erlauben, dachte der rothaarige Techniker kopfschüttelnd. Aber die Polizei unternimmt ja auch nichts.
     
    »Scher dich weg hier, aber ein bisschen plötzlich!«, schnauzte der Leibwächter den Rentner an, der direkt auf Waliko zumarschierte, und fügte ganz leise hinzu: »Mach dich lieber vom Acker, Alterchen, sonst müssen wir leider grob werden.«
    Nun handelte es sich nur noch um Sekunden. Der durchtrainierte Chwan agierte pfeilschnell. Nicht so schnell wie eine

Weitere Kostenlose Bücher