Die Hexe
Morjane natürlich, aber allemal schneller, als Jumbos Bodyguards das für möglich gehalten hätten. Ihnen blieb nicht mehr als eine Statistenrolle.
Mit einer blitzartigen Bewegung versetzte Muba dem kaukasischen Gorilla einen so heftigen Tritt, dass dieser gegen den Kühler des Jeeps krachte und benommen zu Boden sank. Nur Sekundenbruchteile später attackierte der Chwan den verdutzten Waliko. Mit dem oberen Armpaar drückte er ihn gegen die Flanke des Mercedes, während er ihm mit dem unteren gnadenlos den Bauch aufschlitzte. Dabei benutzte er zwei schwarze Nawenmesser und schnitt kunstvoll eine Rote Altairose – das Markenzeichen der Chamäleon-Marschälle. Unter normalen Umständen hätte Muba dem Banditen wohl einfach die Kehle durchgeschnitten, doch Walikos üble Schmähungen hatten den Chwanen ernsthaft erzürnt.
Der dicke Mafioso begriff überhaupt nicht, wie ihm geschah, und starrte entgeistert auf seinen Bauch, aus dem langsam die Eingeweide hervorquollen.
Jetzt! Kara sprach das letzte Wort der Zauberformel und ein mächtiger Impuls magischer Energie traf das Artefakt des Killers.
Muba wandte sich von dem sterbenden Waliko ab und setzte einen hinzugeeilten Leibwächter mit einem Kinnhaken außer Gefecht. In diesem Augenblick bemerkte der Chwan den heftigen Energiestoß, der sein Trugbild-Artefakt außer Kraft setzte. Und nicht nur das: Kurz darauf spürte Muba, dass ihn ein Fischernetz umhüllte, ein mächtiger Zauber, der seine magische Energie blockierte.
Der Chwan konnte nichts machen. Sein Trugbild zerfiel und vor den nunmehr herrenlosen Bodyguards stand anstelle des gebrechlichen Greises auf einmal ein kräftiger vierarmiger Mann, der mit einem schwarzen Overall bekleidet war und in den unteren beiden Händen zwei blutverschmierte Messer hielt. Die verbliebenen Leibwächter, die ohnehin noch unter dem Schock von Walikos brutaler Ermordung standen, trauten ihren Augen nicht und eröffneten panisch das Feuer. Muba hatte zwar keine magische Energie mehr, doch seine physische Kraft und Schnelligkeit waren ihm geblieben. Mit einem einzigen Satz sprang er über den schwarzen Mercedes hinweg und rettete sich vor dem Kugelhagel.
Wassja begriff nicht sofort, was geschah. Zu den lauten Stimmen in der Nähe des geparkten Mercedes gesellten sich Schreie und dann fielen Schüsse. Eine Schießerei? Wassja kam nicht einmal auf die Idee, den Kopf einzuziehen. Stattdessen beobachtete er konsterniert, wie die randalierenden Leibwächter wild um sich schossen und über dem schwarzen Mercedes plötzlich ein Mann angeflogen kam. Der schwarz gekleidete Typ landete auf der Motorhaube seines Ladas, fluchte derb und verschwand in der Autoschlange. Das Ganze ging unheimlich schnell, doch eines hatte Wassja genau gesehen: Der Flüchtende besaß vier Arme.
Verliererbar
Moskau, Nikolojamskaja Nabereshnaja
Freitag, 29. September, 21:44
Warum Artjom die Verliererbar nicht mochte, hätte er wohl selbst nicht erklären können. Vielleicht lag es am wenig schmeichelhaften Namen, vielleicht auch an der Einrichtung im Stile eines heruntergekommenen Wild-West-Saloons, am ehesten jedoch lag es am Publikum. Die Bar war der bevorzugte Treffpunkt von Humos, die von der Existenz der Verborgenen Stadt wussten. Zweitklassige Magier, dubiose Wahrsager und sogar gewöhnliche Scharlatane gaben sich hier ein Stelldichein.
Die auf technischen Fortschritt ausgerichtete menschliche Zivilisation konnte den Humanoiden in Sachen Magie nicht das Wasser reichen. Aus diesem Grund spielten die Gäste der Verliererbar innerhalb der Verborgenen Stadt nur eine Außenseiterrolle und diese latente Demütigung schlug nicht selten auf die Stimmung und die Gesprächsthemen durch.
Darüber hinaus störte sich der Söldner daran, dass in der Verliererbar als einzigem Lokal der Verborgenen Stadt kein Rauchverbot galt. Die liberale Regelung hatte zur Folge, dass die Luft im völlig verqualmten Gastraum noch schlechter war als im Moskauer Dauersmog, was selbst für einen Ex-Raucher wie Artjom gewöhnungsbedürftig war.
»Die Luden sind Halsabschneider!«, schimpfte Silanti Sirakusowitsch, ein betagter, vom Leben gezeichneter Magier, und schlürfte den Schaum von dem Bier, das ihm der Söldner soeben spendiert hatte. »Die Dreckskerle wissen genau, dass wir keine Alternative haben, und erhöhen ständig den Preis für die magische Energie.«
»Wie viel haben sie denn diesmal draufgeschlagen?«, erkundigte sich Artjom beiläufig,
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