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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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bearbeiten. Etwas Gutes kommt dabei bestimmt nicht heraus.«
    Marvin hatte Recht. Beunruhigt betrachtete Ravenna die Gäste, die sich im Hain versammelt hatten, und entdeckte tatsächlich nur noch wenige Edelleute aus fremden Burgen. Von den Besuchern aus Straßburg waren ebenfalls nur wenige Gäste geblieben. Der überwiegende Teil der Zuschauer war einfaches Volk, das aus den benachbarten Tälern und von den Dörfern am Fluss stammte.
    »Ravenna.«
    Als sie ihren Namen hörte, blickte sie wieder nach vorn. Esmee streckte ihr die Hand entgegen und führte sie nun vom Waldrand mitten in den Hain. Unter den Bäumen standen die Sieben mit ihren Gefährten. Die Schülerinnen des Konvents, aufgereiht nach Stimmlage und Gesangsvermögen, bildeten einen Halbkreis, und in seiner Mitte lag der Maistein.
    Als Ravenna den Findling erblickte, auf dem Lucians Schwert lag, vergaß sie Marvin und seine warnenden Worte. Es war ein alter Felsen, verwittert und grau. Er ragte zwischen den Birken aus der Wiese. Die Oberfläche des Steines war vollständig mit Spiralen bedeckt. Ravenna entdeckte immer wieder Stellen, an denen sie sich kreuzten und in der Mitte ein Dreieck bildeten so wie auf ihrem Amulett.
    »Ihr wusstet es wirklich nicht«, stellte Lucian leise fest, als sie sich neben ihn stellte. »Ihr hattet keine Ahnung, wie der Beltainestein aussieht, und dennoch habt Ihr das Richtige getan.« Mit den Fingern streifte er über das Triskel, das er um den Hals trug. »So geschieht es oft in magischen Dingen.«
    Dann kniete er vor ihr nieder. Ravenna warf einen fragenden Blick auf Esmee, und als die schöne Hexe nickte, nahm sie das Schwert, das in einer schwarzen Scheide steckte. Es war dieselbe Waffe, die Lucian auf ihrem Ritt zum Aussichtspunkt getragen hatte. Nur das Gurtzeug war neu.
    Esmee gab den Einsatz und die Mädchen begannen zu singen. Es war ein Gesang, wie Ravenna ihn noch nie gehört hatte und sie begriff sofort, dass Magie im Spiel war. Die Stimmen der jungen Hexen klangen klar und hell, die Melodien verästelten und verflochten sich, bis sie die Zuhörer mit einem Zauber umgaben, so dicht wie das Blätterdach der Bäume. Die Lieder erinnerten Ravenna an die alten, irischen Gesänge, die sie so gerne hörte, wenn sie an der Kathedrale arbeitete oder ihr Pferd versorgte. Mit halbem Ohr lauschte sie auf die Musik, während sie die Sieben betrachtete. Jeder Ritter stand neben seiner Magierin und hörte dem Gesang mit gesenktem Kopf zu. Sogar der fuchsrote Marvin lehnte andächtig neben der Heilerin und hielt ihre Hand.
    Es war ein magischer Segen, den die Sängerinnen woben, begriff Ravenna. Der Gesang spann ein Netz um alle Menschen im Hain, das sich wie Neveres Goldpuder auf die Anwesenden legte. Wieder staunte sie, als sie feststellte, in wie vielen verschiedenen Formen sich der magische Strom zeigte.
    Sie lächelte, als sie Lucian anblickte. Als sie seine fragend hochgezogenen Augenbrauen sah, merkte sie, dass eine lange Pause eingetreten war. Der Gesang der Hexen war verstummt. Alle Anwesenden schauten sie und Lucian an, der geduldig neben dem Beltainestein kniete.
    »Jetzt müsst Ihr mich fragen«, flüsterte er ihr zu.
    Da wurde Ravenna klar, dass sie beinah ihren Einsatz verpasst hätte. Sie nahm das Schwert und zog es aus der Scheide. Leicht und schlank lag es in ihrer Hand. Sie suchte die Klinge nach einem Muster ab, wie es sich auf Darlachs Schwert gezeigt hatte, aber da war nichts. Lucians Waffe war blank und glatt.
    Sie blickte den jungen Ritter an. Sie hatte keine Ahnung, ob sie jetzt wie eine richtige Hexe mit dem magischen Strom verbunden war, aber sie genoss den Moment: In diesem Augenblick gehörte Lucian ihr allein.
    »Lucian, ich frage dich, ob du mein Geweihter Gefährte werden willst.«
    Die Sätze, die Esmee ihr beigebracht hatte, waren weitaus länger und schwieriger zu lernen gewesen, und sie hatte fast alle Worte vergessen. Hastig senkte Lucian den Kopf, damit niemand sah, wie er lachte. Als er wieder aufblickte, spiegelte sich das Licht des Maiabends in seinen Augen.
    »Ja, das will ich, in dieser und in deiner Welt«, erklärte er. Ein Raunen ging durch die Menge, als auch er ein Versprechen gab, das bei der Schwertleite so nicht vorgesehen war.
    Mit der flachen Seite der Klinge berührte Ravenna ihn an den Schultern und auf dem Kopf. Als sie die Waffe zum letzten Mal hob, wurde das Siegel, das sie am Gürtel trug, plötzlich lebendig. Es sandte einen Impuls aus, der sich wie eine warme Welle

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