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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Pferd herum, während Lucian sich wieder aufrichtete und Ghosts trommelnden Galopp abbremste. Ein Aufstöhnen ging durch die Menge, dann wurden zaghafte Beifallsrufe laut. Starr vor Schreck hockte der Baron auf seinem Pferd.
    »Ein weiterer Durchgang!«, verkündete der Hofmarschall. »Noch steht kein Sieger fest. Es muss einen weiteren Durchgang geben!« Fanfarenstöße gellten über den Platz. Ravenna biss sich auf die Fingerkuppen, um nicht zu schreien. Alle sprangen auf, als der junge Ritter und der schwarze Marquis an der Bande Aufstellung nahmen. Mit ruhiger Hand nahm Lucian eine andere Lanze entgegen. Diesmal war es kein Spiel mehr, sondern tödlicher Ernst.
    Das Signal ertönte. Der Rappe des Marquis’ stieg auf die Hinterbeine, ehe er lospreschte. Ein Sturmbanner, so flatterte die Flamme auf Beliars Helm. Seine Lanze zielte auf den Brustharnisch des jungen Ritters, und im vollen Lauf ließ er die Zügel schießen und strich mit dem Handrücken über den Schaft.
    Eine Feuerwolke löste sich und raste Lucian entgegen. Erschrocken hob der junge Ritter die Hand und drehte das Gesicht weg, ehe die Stichflamme ihn einhüllte. Er stürzte fast zu Boden, als Ghost zur Seite scheute. Später würde Ravenna immer wieder erzählen, dass der unwillkürliche Schlenker Lucian das Leben rettete, doch in diesem Augenblick sah sie nur eine abgeplatzte Stahlschiene über der Schulter, zerrissene Kettenglieder und Blut.
    Unbarmherzig schmetterten die Fanfaren. Lucian krümmte sich im Sattel, aber er wehrte die ängstliche Fürsorge seiner Freunde ab. Wütend drohten die jungen Ritter dem Marquis mit den Fäusten, während dieser sein Ross entlang der Bande tänzeln ließ. Aber Lucian wollte von ihren Einwänden nichts wissen.
    Er blickte zu Ravenna herauf. Über all die Köpfe und die vielen Arme hinweg sah er nur sie an, bis sich die ersten Zuschauer umdrehten, um zu sehen, wer dort stand. Dann schloss er das Visier.
    Nein, o nein!, stöhnte Ravenna innerlich. Wie soll ich denn das Siegel des Sommers finden, wenn ihm etwas zustößt? Wie soll ich jemals wieder lachen, wenn er stirbt?
    Die dreifache Spirale auf Lucians Schild blitzte in der Sonne. Starr heftete sie den Blick auf das Triskel. Schütze ihn! Morrigan, beschütze meinen Gefährten! Sie wankte, als ihr der lautlose Schrei wie Fieberglut durch die Adern strömte. Eine Lichtbrücke entstand, und einen Augenblick lang glaubte sie, ohnmächtig zu werden.
    »Herrin?« Einer der Handwerksburschen fing sie auf und stützte sie. Dankbar lehnte sie sich auf seinen Arm, und nicht einmal der Geruch von Schweiß und saurem Bier störte sie.
    Blut tropfte von Lucians Ellenbogen auf das weiße Pferdefell, aber es gelang ihm, den Schild zu heben und die Lanze auf Kurs zu halten. Als das Signal ertönte, grub er die Fersen in Ghosts Weichen und der Schimmel startete mit gewaltigen Sätzen. Diesmal dachte Lucian nicht länger daran, den Flammen auszuweichen oder sich zu ducken – in einer Geraden hielt er auf Beliar zu. Der Knall, mit dem die Lanzen auf die Schilde prallten, war ohrenbetäubend. Der mächtige Rappe bäumte sich auf und im nächsten Augenblick wälzten sich Ross und Reiter auf dem Boden.
    Die Zuschauer schrien auf. Der Geselle riss beide Arme in die Luft und hätte Ravenna in seiner Begeisterung um ein Haar von der Treppe gestoßen. Erst als sie das Gebrüll und Getrampel rings um sich hörte, begriff sie, dass Lucian gewonnen hatte. Sein Schild war geborsten, und er schwankte kreidebleich im Sattel, aber er ging als Sieger aus dem letzten Durchgang hervor. Es war vorbei.
    Schluchzend sank sie auf die Stufen und verschränkte die Arme über dem Kopf. So fand sie Mavelle, die sich mit ihrem schwangeren Bauch durch die Menge schob.
    »Da bist du ja! Was machst du denn zwischen lauter Fassbindern und Wagnern?« Sie packte Ravenna am Handgelenk und zog sie auf die Füße. »Komm schon! Nun komm doch – jetzt ist keine Zeit zum Weinen. Du bist die Maikönigin und musst den Sieger ehren«, befahl sie.
    König Constantin erwartete die Besucher am Rand des Birkenhains. Dorthin führte Mavelle auch Ravenna. An der Seite der Elfe schritt sie durch das lange Spalier der Gäste. Viele betrachteten sie neugierig, nicht wenige applaudierten und alle hielten Birkenzweige in den Händen. Nervös suchte Ravenna die Reihen nach Beliar ab, doch seit dem Sturz vom Pferd war er verschwunden. Auch Lynette war nirgends zu sehen. Zuletzt entdeckte sie die Marquise. Zu Fuß und ganz

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