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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Und wie kommen wir hierher?«
    »Ich bin eine Tormagierin – schon vergessen?«, stieß Ravenna hervor. »Das hier ist mein Zuhause. Hier wohne ich … in der Zukunft. Wir sind durch ein Zeittor gesprungen, Lucian. Es war die einzige Möglichkeit, Beliar zu entkommen.« Mit der flachen Hand schlug sie gegen die Badtür. »Yvonne!«
    Auf bloßen Füßen tappte Lucian durch den Flur. Seine Finger glitten über die Garderobe, die Stehlampe und das Radio, als müsste er die Gegenstände berühren, um sich zu vergewissern, dass sie Wirklichkeit waren. Als der Regler klickte und ein Gitarrensolo erklang, zuckte er zurück.
    »Keine Angst«, beruhigte Ravenna ihn. »Das ist nur Musik.«
    Die Badezimmertür öffnete sich. »Was ist das für ein Zeug hier überall?«, fragte Yvonne. Sie deutete auf die Reste des goldenen Heilmittels, die am Wannenrand, an der Toilettenspülung und im Waschbecken klebten. Auch ihre Hände leuchteten. »Und mit wem redest du?«
    Dann fiel ihr Blick auf den halbnackten Ritter, der im Flur stand und sie anstarrte.
    »Ach du lieber Himmel.«
    Die Badtür schloss sich wieder und Ravenna hörte Wasser rauschen. Im Flur war ein schwacher Duft wahrnehmbar. Wie von einem Herbstfeuer, dachte sie. Dann fluchte sie, eilte an Lucian vorbei und rettete die Kartoffelscheiben vor dem Verkohlen. »Setz dich doch!«, bat sie und deutete an, er solle sich etwas zu trinken nehmen. Langsam sank ihr Ritter auf einen Küchenstuhl. Die Situation war so verwirrend und kompliziert, dass Ravenna nicht wusste, ob sie lachen oder weinen sollte. Erneut klopfte sie an die Badtür.
    »Yvonne, hör mal, bewahrst du in deinem Zimmer vielleicht ein paar von Mathis’ Sachen auf? Eine Hose und ein Hemd oder so ähnlich?«
    Als Yvonne diesmal erschien, hatte sie ein Handtuch um das nasse Haar gezwirbelt und war frisch geschminkt. »Mathis? Welcher Mathis?«
    Ravenna lief ihr bis zur Zimmertür hinterher. »Na ja, Mathis eben. Weißt du nicht mehr, er hat vor ein paar Tagen mit uns zu Abend gegessen. Damals hattest du gesagt, ich soll mir seinen Namen merken, weil er der Richtige sei.« Ein paar Tage und eine halbe Ewigkeit ist das jetzt her, dachte sie.
    »Ach so«, sagte Yvonne und riss die Schranktüren auf. »Soll das etwa heißen, dein Freund ist ohne Kleider hier aufgetaucht? Wer ist er überhaupt? Warst du die ganzen fünf Tage mit ihm zusammen? Meine Güte, Ravenna!« Sie drehte sich um und hielt zwei kurze Röcke vor sich. »Welcher ist besser, der rote oder der schwarze?«
    »Egal«, sagte Ravenna. Plötzlich kämpfte sie mit den Tränen. »Sag mal, könntest du unsere Eltern anrufen und ihnen sagen, dass es mir gutgeht? Ich habe gesehen, was die Zeitungen über mich schreiben …«
    Als Ravenna stockte und nicht mehr weitersprach, warf Yvonne die Röcke aufs Bett und schlang ihr beide Arme um den Hals. Ein fremdartiger Duft umwehte sie, ein Gemisch aus Weihrauch, Wacholder und Teer. »Ach Ravenna … meine arme große Schwester«, flüsterte Yvonne ihr ins Ohr. »Wie gut, dass du wieder da bist.«
    Als sie kurz darauf beim Abendessen saßen, war Yvonne wieder ganz die Alte. Sie häufte sich Salat auf den Teller und pickte nur den Schafskäse heraus, plauderte ungezwungen mit Lucian und kräuselte spöttisch die Nase, als sie merkte, wie Ravenna für ihren Gast die Schraubverschlüsse öffnete und den Korkenzieher benutzte. »Was ist los mit dir? Hast du vielleicht zwei linke Hände?«, zog sie den jungen Mann auf.
    Überrascht blickte Lucian auf seine Finger, mit denen er eine Scheibe Brot zerkrümelte. »Nein«, erwiderte er dann ganz ernsthaft. »Eine Schwerthand und einen Schildarm, so wie es sich gehört.«
    Yvonne hob die Augenbrauen.
    Bitte, dachte Ravenna. Bitte lass diesen Abend ohne größere Katastrophen vergehen! Sie merkte, wie schwer es Lucian fiel, dem modernen Französisch zu folgen, in dem die Schwestern in schnellem Tempo miteinander plauderten.
    Zum Glück hatte Yvonnes Verflossener tatsächlich einige Kleider in ihrem Schrank zurückgelassen, so dass Lucian wenigstens nicht in ein Tuch gehüllt wie ein römischer Senator am Tisch sitzen musste. Die Jeans und das weiße Kapuzenshirt standen ihm gut, und er hatte sich weder über die fremde Kleidung noch über das ungewohnte Essen beschwert. Eigentlich beschwert er sich nie, dachte Ravenna.
    »Wo habt ihr euch kennengelernt?«, wollte Yvonne wissen. Sie kaute mit vollen Backen und trank ab und zu einen Schluck Wein. Ihr Blick wanderte zwischen Lucian

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