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Die Hexen - Roman

Die Hexen - Roman

Titel: Die Hexen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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leise. »Ich meine, als Göttin der Hexen könnte sie Beliar doch ein für alle Mal das Handwerk legen.«
    Durch das Nachtdunkel sah Lucian sie an. »Das tut sie – sie unternimmt etwas. Winter für Winter, wenn alles gutgegangen ist, vollendet sie den Bannkreis der Hexen. Sie fügt ihr Siegel in den Kreis ein und unterbindet Beliars Einflussnahme für ein weiteres Jahr.« Lucian schwieg und dachte nach. »In manchen alten Balladen heißt es, dass sie sich einst liebten.«
    »Wer?«, fragte Ravenna verblüfft. »Morrigan und Beliar?«
    Lucian nickte. »Zumindest erzählt man sich solche Legenden gerne an langen Abenden am Kamin. Vielleicht hassen sie sich deshalb so sehr. Die Liebe ist eine sehr gefährliche Macht«, ergänzte er. »Äußerst gefährlich, denn man offenbart sich einem vollkommen Fremden. Das ist, als zöge man ohne Schild und Harnisch in die Schlacht. Man muss Vertrauen schenken, ohne dass es eine Gewähr gibt, und falls sich dann zeigen sollte, dass man am Ende an den Falschen geraten ist …« Er zuckte die Achseln und ließ den Satz unvollendet.
    Als er Ravennas Blick sah, nahm er ihre Hand und küsste sie. »So war das nicht gemeint«, flüsterte er. »Ihr macht es mir leicht, Euch zu lieben. Und ich werde Euch immer treu ergeben sein, denn das verlangt der Eid der Schwertleite von mir.« Ravenna nickte, aber sie hatte schon verstanden: Offenbar war sie nicht die Einzige, die Angst vor der Magie von Beltaine hatte.
    »Ich weigere mich zu glauben, dass die Welt von einem rachsüchtigen Götterpaar beherrscht wird«, erklärte sie mit einem unterdrückten Gähnen. »Auf jeden Fall werden wir beide uns morgen auf die Suche nach dem verschwundenen Siegel machen. Vielleicht lässt sich der Diebstahl doch noch rechtzeitig aufklären.«
    Während sie sich unter der Decke einkuschelte, blickte Lucian suchend im Zimmer umher. »Wo ist eigentlich mein Schwert?«, wollte er wissen.
    »Das hängt im Schrank«, murmelte Ravenna schon halb im Einschlafen. Seine nächste Frage machte sie schlagartig wieder hellwach. »Dieser Einbrecher, von dem Ihr mir erzählt habt«, sagte er leise. »Hat er Euch wehgetan?«
    Regungslos starrte sie ins Dunkel. Ihr Herz schlug hart an ihre Rippen.
    »Nein«, sagte sie dann. »Das hat er nicht. Aber er hat mir furchtbare Angst eingejagt. Ich glaube, er war verrückt. Ein Psychopath, der es darauf anlegte, mit seinem Opfer zu spielen.«
    Sie spürte, wie Lucian auf der schaukelnden Matratze näher rückte und sich eng an ihren Rücken schmiegte. Den rechten Arm legte er schützend über sie.
    »Das wird nie wieder vorkommen, hört Ihr? Nie wieder. Das verspreche ich.«

Böse Überraschungen und neue Pläne

    Am nächsten Morgen verbrachte Lucian mehr als eine halbe Stunde unter der heißen Dusche. Yvonne hatte Kaffee aufgesetzt und spülte das Geschirr vom Vortag. Sie grüßte nicht, als Ravenna in die Küche kam, und zog ein Gesicht, von dem vor allem eines deutlich abzulesen war: Während du dich mit deinem Ritter vergnügst, stehe ich hier und schufte wie eine Milchmagd.
    »Wegen gestern Abend«, begann Ravenna, ohne auf die Stimmung ihrer Schwester einzugehen. Sie schnappte sich einen Stuhl und ließ sich rittlings auf der Sitzfläche nieder. »Was war eigentlich los mit dir?«
    Mit einem lauten Klirren landete ein Teller auf dem Berg nassen, frisch gespülten Geschirrs. Es grenzte an ein Wunder, dass er nicht zerbrach. »Meinst du nicht, dass du diejenige bist, die mir eine Erklärung schuldet?«, giftete Yvonne sie an. »Immerhin warst du tagelang verschwunden, nicht ich.«
    Ravenna massierte sich die Schläfen. »Du glaubst mir nie im Leben, was ich erlebt habe«, murmelte sie.
    »Und ob ich das glaube«, erwiderte Yvonne. »Heute Morgen wollte ich das Kleid waschen und was finde ich?« Mit spitzen Fingern zog sie Ravennas langen, grauen Hexenmantel aus der Waschmaschine. Er war bedeckt mit verkrustetem Blut, die rostigen Abdrücke des Kettenhemds waren deutlich zu sehen. »Was ist das? Und wer ist dieser Kerl, der gerade unsere Wasserrechnung in astronomische Höhen treibt?«
    »Lucian weiß nicht, dass wir später eine Rechnung kriegen. Er glaubt, Magie treibt das warme Wasser aus der Wand.«
    Yvonne lachte. »Er weiß nicht, dass Strom und Wärme Geld kosten, er kann den Korkenzieher nicht bedienen und er redet wie Chrétien de Troyes. Wo hast du den bloß aufgegabelt?«
    »Er redet wie wer?«
    Yvonne seufzte gereizt. »Chrétien de Troyes. Er lebte um 1160 und

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