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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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vor, als sie fühlte, wie die einnebelnde Feuchte einer unwil kommenen
Verliebtheit sich in ihr verdichtete. Der schwere Mann war ein
Bündel aus Bedürfnissen; er war ein Abgrund, der ihr das Herz aus
dem Leib sog.
Die alte Mrs. Lovecraft, mit der knal igroten Aura al derer, die
rundum zufrieden mit ihrem Leben sind und fest überzeugt, daß sie
in den Himmel kommen, segelte auf Alexandra zu und quäkte:
«Sandy, Liebste, wir vermissen Sie so im Gartenclub. Sie dürfen sich
nicht so einkapseln.»
«Ich kapsele mich ein? Ich komme mir sehr umtriebig vor. Ich habe
Tomaten eingemacht, es ist unglaublich, wie die in diesem Herbst
gekommen sind.»
    «Ich weiß, daß Sie gärtnern. Jedesmal, wenn Horace und ich durch
die Orchard Street fahren, bewundern wir Ihr Haus, das entzückende
kleine Beet am Eingang, das geradezu überquillt von
Pomponchrysanthemen. Wie oft habe ich nicht gesagt, Horace, laß uns doch hereinschauen, aber dann dachte ich, nein, viel eicht macht
sie gerade ihre Sächelchen, und wir stören nur ihre Inspiration.»
Sie macht gerade ihre Sächelchen – oder Liebe mit Joe Marino,
dachte Alexandra: das war es, was Franny Lovecraft eigentlich meinte.
In einer Stadt wie Eastwick gab es keine Geheimnisse, nur Bezirke,
die man nicht beim Namen nannte.
Als sie noch mit Oz zusammen und neu in Eastwick war, hatte sie
einige Abende in Gesellschaft so reizender alter Langweiler wie der
Lovecrafts verbracht; jetzt fühlte sie sich unendlich weit entfernt von
dieser Welt schicklicher, öder Geselligkeit.
«Ich werde ab und an mal im Winter kommen, wenn ich nichts
anderes zu tun habe», sagte Alexandra gnädig. «Wenn ich mich nach
Natur sehne», fügte sie hinzu und wußte, daß sie niemals hingehen
würde, über derlei platte Vergnügungen war sie weit hinaus. «Ich mag
Dia-Vorführungen von englischen Gärten, habt ihr so etwas im
Programm?»
«Sie müssen nächsten Donnerstag kommen», sagte Franny Lovecraft
unbeirrbar, ihr Blatt überreizend, wie Leute von minderem Status –
stellvertretende Sparkassendirektoren, Enkelinnen von
Clipperkapitänen – es tun. «Daisy Robesons Sohn Warwick ist gerade
von einem dreijährigen Aufenthalt im Iran zurückgekommen, er hat
mit seiner entzückenden kleinen Familie so eine nette Zeit dort
verbracht, er hat dort als Berater gearbeitet, irgendwie hat al es mit Öl
zu tun, er sagt, der Schah vol bringt Wunder, diese ganze herrliche
moderne Architektur mitten in der Hauptstadt – oh, wie heißt sie
doch noch, fast hätte ich Neu-Delhi gesagt …»
    Alexandra kam ihr nicht zu Hilfe, obwohl ihr der Name Teheran
durchaus geläufig war; der Teufel fuhr in sie.
«Auf jeden Fal – Wicky hält einen Lichtbildervortrag über
Orientteppiche. Sie müssen wissen, Sandy, Liebste, nach arabischem
Verständnis ist der Teppich ein Garten, ein Innengarten in den
Zelten und Palästen inmitten al dieser Wüste, und es finden sich al e
Arten von richtigen Blumen im Muster, das unserem flüchtigen Blick
doch so abstrakt erscheint. Also, ist das nicht faszinierend?»
«Ist es», sagte Alexandra. Mrs. Lovecraft hatte ihren runzligen Hals,
der in sich zusammengestürzt war zu Furchen und tiefen Rinnen,
ähnlich denen einer ausgewaschenen Straßenböschung, mit einer
Kunstperlenschnur geschmückt, deren Mittelstück ein antikes
Perlmutt-Ei war mit einem penibel eingelegten winzigen goldenen
Kreuz. In einer gereizten psychischen Kraftanstrengung zwang
Alexandra die mürbe alte Schnur zu reißen; falsche Perlen glitten über
die eingesunkene Brust der alten Dame und regneten in Formationen
zu Boden.
Der Fußboden des Gesellschaftsraums war mit Auslegeware
bespannt, stumpfgrün, wie Gänsemist, und der Perlenregen war kaum
zu hören. Es dauerte eine kleine Weile, bis die Katastrophe ruchbar
wurde; zuerst bückten sich nur die, die in unmittelbarer Nähe
standen. Mrs. Lovecraft selber, schockbleich unter den
Rougebäckchen, war zu gichtig und steif, um sich auch zu bücken.
Alexandra kniete dicht vor den wassergeschwol enen Füßen der alten
Dame, und boshaft zwang sie die einschnürenden Riemen ihrer
einstmals modischen Eidechsenschuhe, sich zu lösen. Mit der
Boshaftigkeit war es wie mit dem Essen: hatte man erst einmal
angefangen, war es schwer, wieder aufzuhören; der Magen weitete sich
und wol te immer mehr. Alexandra richtete sich auf und legte ein
halbes Dutzend wieder eingefangener Perlen in die zitternde,
blauknöchelige, gierig

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