Die Hexen von Eastwick
einem
Konkurrenzunternehmen in Rhode Island gewechselt, einer 800
Meter langen, aus Hohlziegeln gebauten Fabrikanlage südlich von
Providence, inmitten der befremdlich weiten Industrielandschaft
dieses kleinen Staates. Vor sieben Jahren waren sie hierhergezogen.
Hier, in Rhode Island, hatten ihre Kräfte sich ausgedehnt wie Gas in
einem Vakuum: zuerst hatte sie den lieben Ozzie, derweil er Tag für
Tag auf der Route 4 zu seiner Arbeit zog und wieder zurück, auf die
Größe eines bloßen Mannes reduziert, der Harnisch des
patriarchalischen Beschützers fiel ab von ihm, rostete weg in der
Salzluft von Eastwicks mütterlicher Schönheit; und dann ließ sie ihn
auf die Größe eines Kindes schrumpfen, seine chronischen
Bedürfnisse und seine gleichermaßen chronische Bereitwil igkeit, sie
von ihr stil en zu lassen, gaben ihm etwas Kümmerliches,
Manipulierbares. Er verlor jegliche Verbindung mit dem Universum,
das sich in ihr ausbreitete. Er beschäftigte sich mehr und mehr mit
den Aktivitäten seiner Söhne in der Jugendsportliga und mit dem
Bowling-Team der Armaturenfirma. Und als Alexandra sich erst
einen, dann mehrere Liebhaber nahm, schrumpfte ihr betrogener
Ehemann auf die Maße einer Puppe zusammen, klein und ausgedörrt,
und nachts lag er neben ihr in ihrem großen, breiten, wartenden Bett
wie ein bemaltes Stück Holz, das man in einer Bude am Straßenrand
gekauft hat, oder wie ein ausgestopftes Al igatorbaby. Als sie sich dann
endgültig scheiden ließen, war ihr einstiger Herr und Meister nur
noch ein Häufchen Dreck-Materie am falschen Platz, wie ihre Mutter
es einmal drastisch ausgedrückt hatte –, ein bißchen polychromer
Staub, den Alexandra zusammenkehrte und als Souvenir in einem
Marmeladenglas verwahrte.
In den Ehen der anderen Hexen hatte es ähnliche Transformationen
gegeben. Jane Smarts Exmann, Sam, hing im Keller ihres
Ranchhauses, zwischen getrockneten Küchen- und Heilkräutern, und
hin und wieder wurde eine Prise von ihm in einen Zaubertrank
gerieben, um eine pikantere Wirkung zu erzielen. Sukie Rougemont
hatte ihren Verflossenen in Plastik eingegossen und benutzte ihn als
Set auf dem Eßtisch. Das war noch gar nicht lange her; Alexandra sah
Monty noch vor sich, in seinem Madras-Jackett und in
petersiliengrünen Hosen, wie er auf Cocktailparties herumstand, sich
in schmetterndem Ton über al e Einzelheiten seiner letzten Golfrunde
ausließ und auf die vier zusammenspielenden Damen schimpfte, die
so langsam waren und ihn und seine Gruppe den ganzen Tag
aufgehalten und nicht ein einziges Mal vorbeigelassen hatten. Er hatte
hochnäsige Frauen gehaßt – weibliche Gouverneure, hysterische
Antikriegsprotestlerinnen, Ärztinnen, Lady Bird Johnson, sogar Lynda
Bird und Luci Baines. Für ihn waren sie al esamt Lesben. Man konnte
Montys wundervol e Zähne sehen, wenn er so krähte, sie waren lang
und sehr ebenmäßig, aber nicht falsch, und wenn er ausgezogen war,
hatte er rührende, dünne bläuliche Beine, die nicht annähernd so
muskulös waren wie seine braunen Golferarme. Und der runzlige,
leicht hängende Hintern: wie das erschlaffende Fleisch nicht mehr
ganz junger Frauen. Er war einer von Alexandras ersten Liebhabern
gewesen. Jetzt gab es ihr ein merkwürdiges, ein merkwürdig
befriedigendes Gefühl, wenn sie einen Becher mit Sukies teerigem
Kaffee auf dem plastikversiegelten Madras-Set absetzte und sah, wie er
einen schmierigen Ring hinterließ.
Die Luft in Eastwick machte Frauen stark. Alexandra hatte nie
vorher Vergleichbares geschmeckt, außer vielleicht, als sie elf war und
mit ihren Eltern durch Wyoming fuhr. Sie hatten sie aus dem Auto
gelassen, weil sie pinkeln mußte, und als sie sich hinter einen
Salbeistrauch hockte und sah, wie auf der trockenen Gebirgserde für
einen kurzen Augenblick ein feuchter, dunkler Fleck entstand, hatte
sie gedacht: Es bedeutet nichts. Es wird verdunsten. Die Natur
absorbiert al es. Diese Empfindung aus ihrer Mädchenzeit war ihr
geblieben, zusammen mit dem süßen Salbeiduft jenes Augenblicks am
Straßenrand. Eastwick wurde zu jeder Zeit vom Meer geküßt. Die
Dock Street mit ihren schicken Boutiquen, die die Sommertouristen
anlocken sol ten mit Duftkerzen und bunten Glasklunkern an den
Zugbändern der Sonnenrol os, mit ihrem Restaurant, das aussah wie
ein alter Aluminium-Speisewagen, gleich neben der Bäckerei und dem
Friseur nebenan vom Bilderrahmenladen, und der kleinen lärmigen
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