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Die Hexen von Eastwick

Titel: Die Hexen von Eastwick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Erinnerung hatte. Alexandra verkörperte
den ziellosen, dahintreibenden Hexentyp, breitete sich immer weit
und flach hin, um al e Eindrücke in sich einsinken zu lassen und mit
der Landschaft zu verschmelzen, und war im Grunde eher träge und,
entropisch gesehen, kühl; Jane dagegen war hitzig, jäh, konzentriert
wie eine Bleistiftspitze, und Sukie Rougemont, die den ganzen Tag in
der Stadt unterwegs war, Neuigkeiten sammelte und nach allen Seiten
«Hal o» und «Wie geht’s» lächelte, hatte ein oszil ierendes Wesen. So
dachte Alexandra und legte auf. Dinge zerfal en in Dreiheiten. Und
Magie ist um uns, überal ; die Natur sucht und findet die
vorherbestimmten Formen, al e Dinge, kristal ine und organische,
fügen sich aus Winkeln von 60 Grad zusammen; das gleichschenklige
Dreieck: die Mutter al er Struktur.
Sie kehrte zu den Einmachgläsern mit Spaghettisauce zurück: Sauce
für mehr Spaghetti, als sie und ihre Kinder jemals würden essen
können, selbst wenn sie für hundert Jahre verhext wären, in einem
italienischen Märchen. Immer wieder hob sie das zitternde,
sengendheiße runde Drahtgestell aus dem weißgetupften blauen
Einmachtopf und nahm ein dampfendes Glas nach dem anderen
herunter. Irgendwo, versteckt in ihrem Kopf, war ihr klar, daß dies
eine Art Tribut war, ein lächerlicher Tribut für ihren derzeitigen
Liebhaber, einen Instal ateur italienischer Herkunft. Ihr Rezept sah
keine Zwiebeln vor, hingegen zwei Knoblauchzehen, fein gehackt und
in heißem Öl drei Minuten sautiert (nicht mehr, nicht weniger, das
war das Geheimnis), viel Zucker, um die Säure zu entschärfen, eine
geriebene Mohrrübe und mehr Pfeffer als Salz; entscheidend aber war
der Teelöffel vol zerkrümelten Basilikums, das die Virilität steigerte,
und der Spritzer Belladonna bewirkte die Entspanntheit, ohne die al e
Virilität nichts weiter als ein mörderischer Blutstau ist. Und die
Tomaten: sie zog sie selbst; in diesen letzten Wochen hatte sie sie
gepflückt und auf sämtlichen Fensterbänken ausgebreitet. Jetzt schnitt
    sie sie in Scheiben und stopfte sie in den Mixer. Seit dem Tag vor
zwei Sommern, als Joe Marino sich zum erstenmal zu ihr ins Bett
gelegt hatte, waren die an Stöcke gebundenen Pflanzen von einer
unnatürlichen Fruchtbarkeit befal en, draußen im Garten, an der
Seite, wo den ganzen Nachmittag lang die Südwestsonne schräg durch
die Weidenreihe schien. Die gekrümmten kleinen Zweige, wabbelig
und fahl, wie aus bil igem grünem Papier, knickten ab unter der Last
so vieler Früchte; sie hatte etwas Panisches, diese Fruchtbarkeit, etwas
Schril es: wie Kinder, die um jeden Preis Aufmerksamkeit erregen und
gefal en wol en. Und sie waren ja tatsächlich ein wenig menschlich,
diese Tomatenpflanzen, mehr als al e anderen Pflanzen, sie waren so
eifrig, so empfindlich, der Fäulnis so nah. Wenn Alexandra diese
wasserpral en orangefarbenen Kugeln pflückte, dann war ihr, als hielte
sie die Hoden eines sehr großen Geliebten in der Hand. Sie erkannte,
während sie sich so in ihrer Küche abmühte, daß das Ganze etwas
traurig Menstruales hatte, blutrote Sauce, über weiße Spaghetti
fließend. Die fetten weißen Schnüre würden zu ihrem eigenen weißen
Fett werden. Dieser weibliche Kampf, dieser ewige Kampf gegen ihr
Gewicht: sie fand ihn immer unnatürlicher, mit ihren 38 Jahren. Um
Liebe zu erwecken: sol te sie deswegen ihren eigenen Körper
verleugnen, wie eine neurotische Heilige aus alter Zeit? Die Natur ist
das Maß und die Ordnung al er Gesundheit, und wenn wir Hunger
haben, sol er gestil t werden, denn so wird das kosmische System
aufrechterhalten. Dennoch, manchmal verachtete sie sich für ihre
Trägheit, einen Liebhaber zu haben, der einer Rasse angehörte, die so
notorisch nachsichtig war gegenüber leiblicher Fül e.
Die Liebhaber, die Alexandra in den paar Jahren seit ihrer
Scheidung gehabt hatte, waren meist abgelegte Ehemänner gewesen;
die Frauen, denen sie gehörten, hatten sie einfach streunen lassen.
Ihren eigenen früheren Ehemann, Oswald Spaffort, bewahrte sie hoch
oben in einem Küchenregal auf, in einem fest zugeschraubten Glas:
    ein Häufchen vielfarbigen Staubs. So sehr hatte sie ihn reduziert, als
ihre Kräfte sich entfalteten, nach ihrem Umzug von Norwich,
Connecticut, nach Eastwick. Ozzie hatte al es über Chrom gewußt
und war von einer Armaturenfabrik in jener hügeligen Stadt mit ihren
viel zu vielen abblätternden weißen Kirchen zu

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