Die Hexen von Eastwick
Chablis, blasser als
Zitronenlimonade, denn sie mußte bald zurück und noch einen
Artikel über den neuesten Stand der Kalamitäten mit dem
Straßenbaubudget schreiben, der Winter mit seinen Schneestürmen
rückte ja immer näher. Die Dock Street war in diesem Sommer durch
den ungewöhnlich starken Touristenandrang und die achtachsigen
Sattelschlepper so ramponiert, daß die stahlgitterverstärkten
Betonplatten über den Wasserdurchlässen bei der Superette
zerbröckelten; man konnte durch die Löcher hindurch das ebbende,
flutende Plätschern sehen. «Du findest also, Felicia ist ein böses
Weib», sagte Van Horne, beim Thema «Ehefrauen» verweilend.
«‹Böse› würde ich nicht gerade sagen … Doch, würde ich. Sie ist ein
bißchen wie Ed, immer geht es um ‹die Sache›, nie um die
leibhaftigen Menschen in nächster Nähe. Der arme Clyde geht
unmittelbar vor ihren Augen zugrunde, und sie hängt am Telefon
wegen dieses Antrags auf Wiederherstellung einer Kleidervorschrift an
der High-School. Jackett und Schlips für die Jungen und nichts als
Röcke für die Mädchen, keine Jeans, keine Hot pants. Es wird viel
über Faschismus geredet heutzutage, aber sie ist wirklich eine
Faschistin. Sie hat den Zeitungshändler dazu gebracht, daß er den Playboy unterm Ladentisch versteckt, und dann hat sie doch noch
einen Anfal gekriegt, weil sie in irgendeinem Foto-Jahresheft ein paar
Titten und Schamhaare ausgemacht hat, die Modelle liegen an
irgendeinem karibischen Strand, verstehst du, und sind ganz in
funkelndes Sonnenlicht getaucht und durch einen Polaroidfilter
aufgenommen. Sie wil den armen Gus Stevens al en Ernstes ins
Gefängnis bringen, weil er dies Heft in seinem Zeitungsständer hatte,
dabei haben seine Grossisten es einfach geliefert, ohne ihn zu fragen.
Dich wil sie übrigens auch ins Gefängnis bringen, wegen unbefugter
Aufschüttung. Sie wil jeden ins Gefängnis bringen, und der Mensch,
den sie schon drin hat im Gefängnis, ist ihr eigener Mann.»
«Tja.» Von Horne lächelte, seine roten Lippen waren vom
Tomatensaft in der Bloody Mary noch röter geworden. «Und du
wil st ihn auf Bewährung freibekommen.»
«Es ist nicht nur das; ich fühle mich an gezogen», gestand Sukie
plötzlich den Tränen nah; das mit der Anziehung war so sinnlos, so
töricht. «Er ist so dankbar, schon für das … das Minimum. »
«Ein Minimum von dir ist schon ziemlich max», sagte Van Horne
galant. «Du bist das Große Los, Tigerin.»
«Aber das stimmt nicht», protestierte Sukie. «Die Menschen haben
so Phantasievorstellungen von Rothaarigen, wir gelten als besonders
scharf, glaube ich, wie diese kleinen Zimtzuckerherzen, aber in
Wirklichkeit sind wir ganz normale Menschen, na gut, ich mache viel
Wirbel und gebe mir Mühe, na, eben schick auszusehen, zumindest
für Eastwick-Verhältnisse, aber ich bin mir doch ganz im klaren
darüber, daß ich nicht das habe – was immer es ist: das Starke, das
Geheimnisvol e, das Frauliche –, das Alexandra hat oder auf ihre
ruppige Art sogar Jane, wenn du verstehst, was ich meine.» Überhaupt
war ihr aufgefallen, daß sie beim Zusammensein mit Männern das
Bedürfnis verspürte, über die beiden anderen Hexen zu sprechen,
Geborgenheit zu finden, indem sie sie im Gespräch erwähnte, und
dabei ihre Dreieinigkeit unter dem Kegel der Macht beschwor: etwas
Mutterähnlicheres hatte sie in ihrem Leben nie gehabt. Ihre richtige
Mutter, eine geschäftige, kleine, vogelhafte Frau, die in ihrem
Äußeren, merkwürdiger Zufal , Felicia Gabriel glich und wie diese es
nicht lassen konnte, Gutes zu tun, war immer unterwegs gewesen
oder hatte mit einem ihrer Kirchenzirkel oder Komitees oder
Ausschüsse telefoniert; ständig hatte sie Waisen- oder
Flüchtlingskinder aufgenommen – zu der Zeit waren gerade
versprengte kleine Koreaner in Mode gewesen – und sie dann mit
Sukie und ihren Brüdern al ein gelassen in dem großen Backsteinhaus
mit dem zum See abfal enden Hof. Andere Männer, fühlte Sukie,
nahmen es übel, wenn sie in Gedanken und mit Worten zum
beschützenden, unheilstiftenden Hexenring hinstrebte, nicht aber
Van Horne; es mußte an seinem Wesen liegen, er war wie eine Frau
in seiner unerschütterlichen Freundlichkeit, aber von der Physis her
natürlich ungeheuer männlich: wenn der einen fickte, tat das weh.
«Das sind Köter», sagte er jetzt schlicht. «Die haben nicht so schicke
Titten wie du.»
«Mache ich einen Fehler?»
Weitere Kostenlose Bücher