Die Hexen von Eastwick
groß und hingebettet war mit feuchtglitzernden Löckchen,
und die Männer einfach lecken und küssen und sich laben zu lassen.
Lockentorte hatte ein Junge, den sie im Staat New York kannte, das
genannt.
Endlich konnte sie pinkeln. Sie knipste die Lampe im Bad aus und
ging ins Schlafzimmer, das schwach beleuchtet war von der
Straßenlaterne an der Ecke Hemlock Lane/Oak Street. Sie hatte noch
nie eine Nacht mit Clyde verbracht, hingegen fuhren sie neuerdings
um die Mittagszeit immer in den Cove-Wald – sie ging zu Fuß die
Dock Street entlang, bis zum Kriegsmahnmal, und er las sie dort mit
seinem Volvo auf. Kürzlich war es ihr langweilig geworden, sein
trauriges, dürres Gesicht mit den lang aus den Nasenlöchern
wachsenden Haaren und dem Tabakatem zu küssen, und um sich
und ihm eine Abwechslung zu bereiten, hatte sie den Reißverschluß
ihrer Hose geöffnet und ziemlich zielstrebig, wie sie selber fand, und
kühl beobachtend, ihm einen runtergeholt. Diese rührenden
Samenspritzer, wie die Schreie eines jungen kleinen Tieres in den
Kral en des Falken. Er war verblüfft gewesen ob ihres
Hexenkunststücks; als er lachte, zogen seine Lippen sich eigenartig
weit zurück, entblößten zerklüftete Backenzähne mit schwarz
angelaufenen Silberfül ungen. Das war ein wenig erschreckend
gewesen: Korrosion und Schmerz und der Lauf der Zeit, al es auf
einmal bloßgelegt. Ähnlich beklommen fühlte sie sich jetzt, als sie
halbblind – ihre Augen hatten sich noch nicht auf das Dunkel
eingestellt – in ihr eigenes Zimmer tappte, zu eben diesem Mann. In
der Ecke, wo er saß, glomm sein Pyjama wie eine fluoreszierende
Birne, die gerade ausgeschaltet worden ist. Ein rotes Zigarettenende
glühte neben seinem Kopf. Sie konnte sich selbst, ihre weißen
Hüften, ihre nervösen, gerippten Flanken, deutlicher sehen als ihn,
denn mehrere Spiegel, goldgerahmte alte Erbstücke von einer Tante
in Ithaca, hingen an den Wänden. Mit den Jahren waren diese Spiegel
fleckig geworden; das klamme Mauerwerk alter Steinhäuser hatte das
Quecksilber von ihren Rückseiten weggefressen. Sukie mochte solche
Spiegel lieber als die perfekten; sie gaben ihr ihre Schönheit mit
weniger Beanstandungen wider. Von Clyde kam ein Knurren: «Weiß
nicht, ob ich dem gewachsen bin.»
«Wenn nicht du, wer dann?» fragte Sukie in die Schatten hinein.
«Oh, ich kann mir einige vorstellen», sagte er. Nichtsdestoweniger
erhob er sich und begann, seine Pyjamajacke aufzuknöpfen. Die
glimmende Zigarette wurde jetzt vom Mund gehalten, ihre rote Spitze
hüpfte auf und nieder, während er sprach.
Sukie fröstelte. Sie war darauf gefaßt gewesen, daß er sie sofort in
die Arme schließen und sie mit langen, dürstenden, schalatmigen
Küssen bedecken würde wie im Auto. Durch ihre prompte Nacktheit
hatte sie sich ins Hintertreffen gebracht, sich im Wert
herabgemindert. Diese scheußlichen Kursschwankungen, denen man
als Frau an der männlichen Meinungsbörse ausgesetzt ist, rauf und
runter, von einer Minute zur nächsten, je nach dem Punktstand im
Kampf zwischen Es und Über-Ich des Mannes. Sie war schon halb
entschlossen, wieder kehrtzumachen und sich ins helle Badezimmer
zu verkriechen, sol te er sehen, wo er blieb. Er hatte sich nicht
gerührt. Sein verdorrtes, ehedem schönes Gesicht mit der straff über
die Wangenknochen gespannten Haut knautschte sich zu einer
überlegenen Miene um die Zigarette, ein Auge zugekniffen zum
Schutz gegen den Rauch. Genauso saß er da, wenn er redigierte, mit
dem weichen Bleistift über das Papier eilte und seine entschlossenen
Striche zog und die gelbsüchtigen Augen unter einem grünen
Augenschirm verschanzt hielt, während der Rauch seiner Zigarette in
galaktischen Spiralen im Lichtkegel seiner Schreibtischlampe wölkte, seinem Kegel der Macht. Clyde liebte es zu kürzen, war glücklich,
wenn er einen ganzen Absatz fand, den er ersatzlos streichen konnte;
al erdings, mit ihren Artikeln war er in letzter Zeit sehr behutsam
verfahren, hatte nur die Schreibfehler korrigiert. «Wie viele meinst du
denn?» fragte sie. Er hielt sie für eine Hure. Felicia wurde vermutlich
nicht müde, sie ihm so darzustellen. Das Frösteln, das Sukie verspürt
hatte: kam es von der Kälte im Zimmer oder von dem erregenden
Anblick ihres weißen Körpers, der in drei Spiegeln gleichzeitig
erschien?
Clyde drückte die Zigarette aus und öffnete den letzten Knopf
seines Pyjamas. Er war nun auch nackt.
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