Die Hexenadvokatin
Aber alles in allem sieht es für Euren Sohn leider nicht gut aus: Hat die listige Schlange sich doch ganz bewusst in die Obhut frommer Klosterfrauen begeben und will angeblich Nonne werden. Es wird daher nicht einfach - wenn nicht gar unmöglich - sein, sie foltern zu lassen, um ihr das schamlose Lügen auszutreiben.
Am besten ist es wohl, Ihr lasst Eurem Sohn die Nachricht von dem Gewittersturm, der sich über ihm in München zusammenbraut, nach Rom senden. Für ihn wäre es vermutlich am klügsten, gar nicht mehr nach Bayern zurückzukehren, sondern in Italien zu bleiben. Ihr habt doch dort Verwandte, nicht wahr?«
»Allerdings! Aber Rupert ist doch im Auftrag unseres Herzogs
beim Heiligen Vater und muss ihm anschließend Bericht erstatten«, wandte der Graf ein.
»Soll er sich deswegen in die Höhle des Löwen begeben? Was bei den Verhandlungen mit Papst und Kurie herauskommt, kann er Seiner Durchlaucht auch schriftlich zur Kenntnis bringen. Oder einer der Herren aus der Delegation soll Maximilian über die Ergebnisse informieren. Aber haltet Euren Sohn um Gottes willen aus der Schusslinie!«, riet Georg zu Tannheim eindringlich.
Und Graf von Freudenstatt fügte hinzu: »Ihr müsst auf alle Fälle verhindern, dass Euer Sohn nach Überschreiten der Grenze zu Bayern verhaftet und von der Inquisition verhört wird. Wen diese Blutsauger in ihrer Gewalt haben, den lassen sie nicht mehr los - es sei denn für den Gang ins Feuer. Lasst Euch das gesagt sein, lieber Freund.
Hin und wieder werden - zur Abschreckung - auch Leute aus dem Hochadel einem Hexenprozess unterworfen und sogar verurteilt, um in aller Ruhe ihre Güter und ihr Vermögen beschlagnahmen zu können.«
Bernhard zu Jetzenbach schlug seinem alten Freund nach kurzer Bedenkzeit Folgendes vor: »Ich werde Friedhelm, meinen Jüngsten, eilends nach Rom schicken. Dieser soll Eurem Rupert Bescheid geben und ihn davon abhalten, nach München zu reisen. Er muss unter einem Vorwand die Gruppe verlassen und sich zu seinen Verwandten begeben - wenigstens so lange, bis das Gewitter vorübergezogen ist.«
»Ein ausgezeichneter Plan«, stimmte der Freiherr zu Tannheim zu. »Irgendwann wird das verruchte Weibsstück schon wieder zur Vernunft kommen. Sobald Gras über die Angelegenheit gewachsen ist, kann Euer Sohn wieder heimkehren.«
»Nein!«, widersprach Wolfgang Friedrich bestimmt. »Ich danke Euch zwar sehr, mein Freund! Dennoch kann ich das
unter keinen Umständen annehmen. Euer Sohn soll nicht in diese unappetitliche Angelegenheit verwickelt werden. Am Ende steht auch noch Euer Fleisch und Blut vor dem Tribunal der Inquisition als Mitwisser und womöglich gar als Mittäter. Nein, nein! Ich muss mir etwas anderes einfallen lassen. Aber dennoch: Der Herrgott segne Euch für Euren guten Willen!«
Als die Herren gingen, ließen sie ihren alten Freund in tiefer Sorge zurück. Er musste noch seiner Gemahlin über die Gefahr, in der Alberta schwebte, reinen Wein einschenken. Keine leichte Aufgabe, doch vielleicht wusste Eleonora, wie man die Tochter vor der Verfolgung durch die jesuitischen Inquisitoren schützen konnte …
29. September 1611, im Kloster der Franziskanerinnen
Constanze blieb indes hinter ihren Klostermauern keineswegs untätig. Unermüdlich war das Fräulein bestrebt, »Graf Rupert« als Dämon zu »besagen«. So nannte man es, wenn jemand eine Person bezichtigte, ein böser Geist zu sein oder einen Pakt mit dem Teufel geschlossen zu haben.
»Es kann nur der Satan sein, der unsere Mitschwester, eine ausnehmend fromme junge Dame, so unsäglich peinigt«, behauptete die Oberin. Mater Maria Luisa, eine schlanke, etwa vierzig Jahre alte, hochgewachsene Klosterfrau, sah ihren Besucher Jacobus Fürmeyer unverwandt an.
Dieser, ein gelehrter Weltgeistlicher und Abgesandter Seiner Eminenz, des Bischofs von Freising, war mit einem Kaplan sowie zwei Knechten vor einer Stunde in den Klosterhof eingeritten. Die Leiterin des Konvents hatte die geistlichen Herren
mit der ihnen gebührenden Ehrerbietung empfangen und ihnen Suppe, Braten und sogar Wein statt des üblichen Bieres auftischen lassen. Die Knechte schickte man in ein nahe gelegenes Speisehaus fürs einfache Volk und die Pferde der Ankömmlinge standen wohlversorgt im Klosterstall.
Jacobus Fürmeyer, ein einundfünfzig Jahre alter Doktor der Theologie und zugleich Doktor der Rechte, wischte sich zufrieden seufzend den Mund mit einer seidenen Serviette ab. »Ihr pflegt eine
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