Die Hexenadvokatin
Peter, Wolfgang Hannemann, hielt sich merkwürdig bedeckt.
Man sah ihm an, dass er verunsichert war. Bisher hatte er es nur mit einfachen Leuten im Falkenturm zu tun gehabt, denen man primitive Hexereien nachsagte; mit wahrhaftigen Dämonen, die sich der Leiber von Edelleuten bedienten, hatte er sich bis dato noch nie befasst.
Ausgerechnet die Todsünde der schwarzen Magie sagte man nun also einem der bedeutendsten Adligen des Bayernlandes nach, einem Mann, den der Herzog den meisten seiner altgedienten Räte vorgezogen hatte. Ja, den er sogar zum Heiligen Vater nach Rom entsandt hatte, um ein Anliegen, das ihm seit Jahren das Herz beschwerte, vorzutragen.
Das Ganze war nicht nur rätselhaft, sondern ausgesprochen brisant. Am liebsten hätte Doktor Hannemann auf dem Absatz kehrtgemacht und wäre in seine Kirche Sankt Peter geflüchtet. Das Ganze dünkte ihn beinahe so übel wie das schreckliche Gewitter im Jahre 1607, als ein gewaltiger Blitz mit furchtbarem Krachen in einen der beiden Doppeltürme des Gotteshauses gefahren und ihn zertrümmert hatte.
Vielen war das damals wie ein Strafgericht des Allerhöchsten erschienen. Seitdem wies die älteste Kirche Münchens nur noch einen Turm, im Volksmund »Alter Peter« genannt, auf …
Die massiven Angriffe gegen die Novizin Maria Constanze hatten sich mittlerweile noch verstärkt. Beinahe stündlich war jetzt mit dem Erscheinen des Dämons zu rechnen - gleichgültig,
ob bei Nacht oder bei Tage. Die Gräfin trug nun auch im Gesicht Spuren von gewalttätigen Übergriffen. Seit vergangener Nacht war ihre Oberlippe von brutalen Schlägen aufgeplatzt.
Ständig waren neuerdings Klosterfrauen in ihrer Zelle zugegen, um Zeuginnen der Quälereien zu sein, mit denen der böse Geist sie traktierte. Im Konvent gab es so gut wie niemanden, der nicht selbst miterlebt hatte, wie eine unsichtbare Macht die Arme in der Zelle herumstieß, sie zu Boden warf und sie - nach ihren Abwehrbewegungen zu schließen - mit Tritten bearbeitete, bis sie ohnmächtig auf der Erde lag.
Die von der Oberin ins Bild gesetzten Eltern des Fräuleins waren entsetzt. Ihr Vater drang daraufhin gewaltsam ins Münchner Palais der Grafen zu Mangfall-Pechstein ein, um kundzutun, wie man seiner Ansicht nach mit solch gottloser Teufelsbrut umzugehen habe.
»Euer Sohn gehört auf den Scheiterhaufen!«, brüllte er den etwa gleichaltrigen Wolfgang Friedrich an, dass man es bis auf die Gasse hinaus hören konnte. Nicht einmal durch die Gräfin Eleonora ließ der Tobende sich beruhigen. Erst Pater Winfried gelang es nach einiger Zeit, den Herrn von Heilbrunn so weit zur Besinnung zu bringen, dass es den Dienern möglich war, ihn zum Eingangsportal hinauszuschieben, ohne dabei allzu grob zu werden.
Wie von Jacobus Fürmeyer vorausgesagt, übergab der Bischof von Freising den Fall der Heiligen Inquisition zur Überprüfung. Seine Eminenz selbst sah sich außerstande, in dieser delikaten Angelegenheit ein Urteil zu fällen.
»In jedem Fall würde ich mir eine hochedle Familie in Bayern zum erbitterten Feind machen. Und womöglich trüge ich die Schuld daran, wenn wieder eine Adelssippe an den Protestantismus
verlorenginge«, argumentierte er schlau im Domkapitel.
Seit einer Woche gingen nun zwei Inquisitoren - beide vom Orden der Societas Jesu und speziell vom Papst dazu ermächtigt - in dem Kloster der Franziskanerinnen ein und aus. Zuvor jedoch hatte Herzog Maximilian auf Bitten Wolfgang Friedrichs darauf bestanden, dass erst ein Exorzismus an der Novizin vorgenommen werden müsse.
Bekanntermaßen hielten Maximilian und sein Vater, der alte Herzog Wilhelm, sehr viel von derlei geheimen Maßnahmen. Pater Winfried durfte bei der düsteren Zeremonie anwesend sein - das hatte Albertas Vater sich eigens ausbedungen. Auch der Herzog wünschte an der Dämonenbeschwörung teilzunehmen, die in Constanzes Zelle abgehalten wurde.
Außer der Betroffenen und ihrem Exorzisten - einem in dieser Sache erfahrenen Jesuitenpater namens Edoardo Gomez - hielten sich in dem winzigen Raum noch weitere sechs Personen auf: Die Oberin Maria Luisa, die Eltern des Mädchens, Jacobus Fürmeyer als Beobachter des Bischofs, Herzog Maximilian sowie Pater Winfried.
Die Luft war bald zum Schneiden dick, das Atmen fiel allen Anwesenden zunehmend schwerer, denn außer den Wolken von Weihrauch entwickelten sich in der beengten Zelle außerordentlich unangenehme, an Schwefeldämpfe erinnernde Gerüche.
Es dauerte nicht lange, da musste
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