Die Hexenadvokatin
den absurden Gerüchten von der »dämonischen Natur« des begabten jungen Mangfallers? Dem Herzog wurde der Kopf ganz wirr, je länger er darüber nachdachte. Vor allem konnte er nicht begreifen, wohin sein Geheimer Rat entschwunden war. Längst waren das Militär, Justizbeamte und sonstige »wichtige Leute«, wie etwa Dorfpfarrer und Schultheißen, damit beauftragt worden, nach dem Vermissten Ausschau zu halten. Bisher allerdings mit keinerlei Erfolg.
So maßlos der Herzog auch enttäuscht war über die kompromisslose Haltung des Papstes und die Erfolglosigkeit der
Mission, gab er doch Rupert nicht die Schuld dafür; ebensowenig konnte und wollte er im Innersten seines Herzens daran glauben, dass er sich ausgerechnet in einem seiner engsten Vertrauten so sehr getäuscht haben sollte.
Der Fürst hielt sich viel auf seine Menschenkenntnis zugute und einen Rupert zu Mangfall-Pechstein, der nächtens als geiles Gespenst eine keusche Jungfrau brutal belästigte, den vermochte er sich beim besten Willen nicht vorzustellen …
»Das hat der gutaussehende junge Mann doch überhaupt nicht nötig«, sagte er zu seiner Gemahlin, Herzogin Elisabeth, die sich nach dem ergebnislosen Exorzismus Constanzes nach dem Stand der Dinge erkundigte.
»Wenn so einer nur mit dem kleinen Finger schnippt, rennen ihm doch die bedeutendsten Herren des Reiches die Schlosstüren ein, um ihm ihre heiratsfähigen Töchter auf dem Silbertablett zu servieren. Warum sollte er also zu derartig geschmacklosen Praktiken seine Zuflucht nehmen?«
»Ich habe von glaubhafter Seite gehört, der Vater des jungen Grafen habe den Heiratsantrag der Eltern dieser Jungfer abgelehnt, weil Rupert in früher Jugend ein Gelübde der Ehelosigkeit abgelegt habe. Das muss man doch respektieren, finde ich«, meinte die Herzogin. »Was soll daran für das Edelfräulein oder ihre Familie kränkend sein?«
»Ich habe das Gefühl, dass da irgendetwas nicht stimmt«, sinnierte der Herzog. »Ich weiß bloß noch nicht, was es ist. Während des Exorzismus habe ich die Maid genau beobachtet. Sie erschien mir - trotz ihrer Jugend - ziemlich kaltblütig und überlegt in ihren Äußerungen, die sie dem Jesuiten gegenüber machte: Beinahe so, als spule sie Auswendiggelerntes ab und spiele nur Theater.
Trotz aller Frömmigkeit und Ehrerbietung halte ich sie für ein maßlos verwöhntes und hochmütiges Geschöpf. Und ich
traue ihr allerhand üble Dinge zu«, vertraute Maximilian seiner Gemahlin an.
»Auch, dass sie allen nur etwas vormacht und sich die nächtlichen Bedrängnisse nur ausgedacht hat, um den jungen Mann zu vernichten?«, fragte Elisabeth erschrocken. »Das würde ja bedeuten, dass sie von Grund auf verdorben ist.«
Der Herzog nickte gedankenschwer. O ja, dieser »Heiligen« traute er durchaus so einiges zu. Er wusste nur noch nicht so recht, wie er ihr eine Falle stellen konnte - und seinen Geheimen Rat vor den schlimmen Anschuldigungen am besten bewahrte.
Kurz nach Weihnachten 1611, im Franziskanerinnenkloster
Gräfin Constanze, die mittlerweile von den übrigen Klosterinsassinnen - ohne das ewige Gelübde abgelegt zu haben - als Mitschwester und geweihte Braut Christi betrachtet wurde, standen härtere Zeiten bevor: Im neuen Jahr würde sie von der Heiligen Inquisition eingehend verhört werden. Der Versuch mit dem Exorzismus war lediglich ein kleiner Aufschub gewesen.
Die junge Frau wusste sich wohl vorbereitet: Hatte sie doch vor ihrem Eintritt ins Kloster noch etliche einschlägige Werke studiert, die sich mit diesem heiklen Thema befassten; sie würde sich durch keine Fangfrage aufs Glatteis führen lassen. Um nicht in Verdacht zu geraten, selbst mit dem Teufel im Bunde zu sein, hatte sie vielerlei zu beachten. Aber sie blickte mit Gelassenheit den kommenden Ereignissen entgegen …
Während sie in ihrer Zelle ihre mehr oberflächliche Morgentoilette verrichtete, musste sie unwillkürlich lächeln. Obgleich sie jeden Tag schmäler und asketischer wirkte, waren
ihre Kräfte noch lange nicht aufgezehrt. Rupert sollte schon erfahren, mit wem er sich angelegt hatte. Mit Genugtuung betrachtete Constanze die Blessuren an Händen, Armen und Beinen, die sie sich selbst im Laufe der Zeit im Kloster zugefügt hatte. Die Narben von den regelmäßigen Geißelungen, denen sie sich mit Eifer unterzog, konnte sie zwar nicht sehen, aber bei jeder Bewegung fühlen. Sie hatte tüchtig vorgesorgt, um die Misshandlungen durch ihren Quälgeist »beweisen«
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