Die Hexenadvokatin
zu können. Die Abgesandten der Heiligen Inquisition würden ihr ohne Zweifel Glauben schenken - und das bedeutete Ruperts sicheres Ende.
Kurz nach Weihnachten 1611, bei Oheim Serafino in Italien
Obwohl Oheim Serafino und seine Gemahlin Paolina jetzt über die wahre Natur ihrer bayerischen Nichte , die vor zwei Monaten so überraschend bei ihnen aufgetaucht war, Bescheid wussten, bestanden sie darauf, dass diese nach wie vor als Mann gekleidet unter ihrem Dach verweilte.
»Das ist zu unserem eigenen Schutz, das musst du verstehen«, verlangte der Conte D’Annunzio-Malvi. »Wir gewähren dir natürlich als unserer lieben und geschätzten Verwandten Asyl, so lange du willst. Blut ist nun mal dicker als Wasser - aber ich möchte nicht, dass die übrigen Mitglieder unserer Familie, etwa unsere Kinder, zum jetzigen Zeitpunkt davon erfahren. Später kann man es ihnen gewiss plausibel machen.«
Alberta, die sich bereits so sehr darauf gefreut hatte, endlich als Frau auftreten zu dürfen, war bitter enttäuscht und wollte schon beginnen, dagegen zu argumentieren.
Aber als Tante Paolina hinzufügte: »Selbst Eure Eltern verschweigen nach wie vor gegenüber Euren jüngeren Geschwistern
Eure wahre Identität«, verstummte sie und beugte sich der schmerzlichen Maßnahme. Es konnte schließlich nicht mehr allzu lange dauern, bis der Alptraum ein Ende hätte. Sie hoffte, dass sich der Sturm, den Constanze in München entfacht hatte, bald legen würde.
Ihr geliebter Albrecht hatte leider auf sein eigenes Besitztum zurückkehren müssen, da er von »Unregelmäßigkeiten«, sprich Betrügereien seines Majordomus erfahren hatte. Alberta war demnach auf sich allein gestellt und musste sich selbst mit ihren Verwandten einigen.
Die Tage vergingen quälend langsam und in den Nächten sorgten »unzüchtige« Träume für eine nachhaltige Störung ihres Seelenfriedens. Vorbei waren die langen Jahre ihrer »kalten Fischnatur«, die Pater Winfried einst so erleichtert an seinem Schützling konstatiert hatte. Aufgewühlt durch die kühnen Zärtlichkeiten Albrechts stand Alberta wiederum Nacht für Nacht die Liebeszene im Pferdestall des heimischen Schlosses vor Augen …
Immer wieder sah sie ihren jüngeren Bruder und die Magd sich brünstig paaren: Die Gesichtszüge ihres Bruders waren dabei merkwürdig verschwommen und er kam Alberta eigentlich wie ein Fremder vor. Aufmerksam verfolgte sie, wie die kundige Hand des Mädchens das pralle, steil aufgerichtete Glied ihres Liebhabers in die dafür vorgesehene Leibesöffnung dirigierte.
Im Traum fühlte sie irgendwie selbst sein Eindringen und es war ihr, als erlebe sie die immer heftiger werdenden Stöße des jungen Burschen hautnah mit; er ächzte vor Geilheit, während die stöhnende Magd ihre Beine um ihn schlang, um ihn ja in sich zu behalten …
Am Morgen darauf folgte stets das Erschrecken über die »sündigen« Träume; aber trotz des schlechten Gewissens blieb
die brennende Sehnsucht, dieses offenbar himmlische Gefühl recht bald selbst erleben zu dürfen.
Im Übrigen war die junge Gräfin vom Verhalten ihres Vaters auf das Angenehmste überrascht. Welche Überwindung musste es ihn gekostet haben, Albrecht von Hochfelln-Tausch den Betrug einzugestehen?
Es hatte den Anschein, als wolle Wolfgang Friedrich das Unrecht, das er einst seiner Tochter zugefügt hatte, wiedergutmachen. Nur Gott allein mochte wissen, ob es ihm gelingen würde. Aber schon die Tatsache, dass der alte Graf überhaupt den Mund aufgemacht hatte, stimmte Alberta versöhnlicher.
Im Laufe der nächsten Wochen wurde die Stimmung in der Familie D’Annunzio-Malvi ständig gereizter und die Gemütslage Albertas immer düsterer. Durch Briefe Pater Winfrieds und kurze Schreiben des alten Grafen wusste man genau Bescheid über die Vorgänge in München - von dem ergebnislosen Exorzismus etwa, sowie von Constanzes unverdientem Ruf einer Heiligen, der sich allmählich in ganz Bayern verbreitete - auf Kosten Albertas.
»Ich muss nach Hause, zurück nach München«, beharrte die Gräfin ein ums andere Mal. Anfangs widersprachen ihr die Verwandten noch halbherzig. Aber die junge Frau hörte nur zu deutlich ihre Erleichterung heraus, sie bald loszuwerden. Hatte Tante Paolina ihr nicht erst kürzlich sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass es ihre Schuld sei, dass die Hochzeit ihres Sohnes mit Albertas jüngerer Schwester auf unbestimmte Zeit verschoben werden musste? Schließlich müsse »der
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