Die Hexenadvokatin
Weg versperrt.
»Was sagt Ihr da? Ihr wollt mir verbieten, mein eigen Fleisch und Blut zu sehen? Welch Ungeheuerlichkeit!«, empörte sich der Edelmann, der die spanischen Jesuiten - die sich seiner Ansicht nach, dank der Protektion durch die bayerischen
Herzöge, viel zu wichtig machten - seit jeher nicht leiden konnte.
Im Grunde lehnte er die Spanier und ihren rigoros bigotten Einfluss auf die Lebensführung in Bayern insgesamt ab. Und da war er weiß Gott nicht der Einzige … Wütend starrte er in die hohlwangigen, asketischen Gesichter seiner Gesprächspartner.
»Regt Euch nicht auf, Graf.« Don Federigo de Morales versuchte mit betont sanfter Stimme, den aufgebrachten Aristokraten zu beruhigen. »Niemand will Eurer Tochter etwas Böses. Im Gegenteil! Unsere Befragung dient allein der sicheren Beweisführung, ob der jungen Dame das Prädikat einer Seligen oder gar Heiligen zuerkannt werden kann«, behauptete der Jesuitenpater.
»Wie? Ist das wahr?« Der Graf geriet beinahe ins Stottern. Das waren ja ganz neue Töne! Bisher hatten nur schlichte Handwerker und Bauern das Gerücht verbreitet, seine Constanze sei eine Heilige.
»Wir müssen erst ganz sicher sein - das versteht Ihr doch gewiss? Stellt Euch vor, wir erlaubten die Verehrung Eurer Tochter und müssten später alles wieder zurücknehmen! Das wäre peinlich für Jungfer Constanze, für das Kloster, für die Kirche insgesamt - und für Euch, Graf.«
»Natürlich, natürlich«, murmelte von Heilbrunn-Seligenthal verwirrt.
»Dass die junge Dame für einige Zeit von all ihren Familienmitgliedern und Freunden ferngehalten wird, ist eine Art Prüfung ihrer Persönlichkeit. Wahrhaft heilige Menschen, die dieses Prädikat auch verdienen, müssen das aushalten. Allein die Gemeinschaft mit Gott muss ihnen genügen.«
»Auch Jesus hat von seinen Aposteln verlangt, dass sie um seinetwillen alles hinter sich lassen und nur ihm allein nachfolgen«,
bekräftigte Pater Manuel die Worte seines Mitbruders.
»Ich verstehe. Ich verstehe Euch vollkommen, Ehrwürdige Väter. Wie Ihr es wünscht, so wird es geschehen.« Constanzes Vater war nun restlos überzeugt davon, dass die Inquisitoren nur das Allerbeste für sein geliebtes Töchterchen im Sinn hatten. Seine Gemahlin, die Gräfin Angelica, würde Augen machen: Ihre Constanze eine Heilige …
Da auch die Oberin von den Herren der Societas Jesu bewusst im Unklaren gelassen wurde, stieß Constanzes Ersuchen um eine Möglichkeit, ihrem Vater reinen Wein einzuschenken, auf taube Ohren.
Die junge Frau war jetzt ganz auf sich allein gestellt. Äußerst unangenehm empfand sie es ferner, dass die Patres neuerdings einen dritten Mönch ihres Ordens zu den lästigen Befragungen mitbrachten, einen jungen Pater, der ein genaues Protokoll über alle Fragen und Antworten sowie über sämtliche Reaktionen der Novizin zu führen hatte.
Er pflegte auf einem mitgebrachten Klapphocker zu kauern und auf seinen Knien ein Schreibbrett mit Papier und Tintenfass zu balancieren. Die sorgfältig gespitzte Gänsefeder hatte Pater Bruno, wie die Jesuiten ihn nannten, hinter das rechte Ohr geklemmt. Constanze betrachtete ihn von Anfang an mit Abscheu.
Er war zwar noch jung - nicht weit über fünfundzwanzig, vermutete sie -, aber von bemerkenswerter Hässlichkeit: dicke rote Pausbacken, winzige Äuglein, eine kurze, breite Nase und ein regelrechtes Puppenmündchen, das er ständig missbilligend spitzte. Sie gewöhnte sich an, ihn zu ignorieren, während ihre Wut auf Rupert, der ihr dies schließlich alles eingebrockt hatte, ins schier Unermessliche wuchs.
KAPITEL 42
25. Januar 1612, im Palais Mangfall-Pechstein
DIE AUSSERORDENTLICHE ABENDLICHE Zusammenkunft der Mitglieder des Geheimen Rates versprach, dramatisch zu werden. Der alte Graf zu Mangfall-Pechstein hatte sie für diesen Abend zu sich ins Palais geladen, um »Wichtiges mit den sehr geehrten Herren zu erörtern«.
Wolfgang Friedrich dachte nämlich gar nicht daran, im Falle seiner Ältesten untätig zu bleiben. Es erschien ihm angebracht und vernünftig, vorsorglich »die Bataillone zu ordnen« … Gemeinsam mit seinen besten Freunden, Bernhard Freiherr zu Jetzenbach, Georg Freiherr zu Tannheim, sowie Ludwig, Graf von Freudenstatt, hatte er sich in der herzoglichen Residenzstadt nach Helfern und Mitstreitern für die Sache seiner Tochter umgetan. Von den engsten Beratern Maximilians glaubten durchaus nicht alle an »Hexen« oder »Hexenmeister«.
Sie waren demnach
Weitere Kostenlose Bücher