Die Hexenadvokatin
einen Prozess gegen Wolf Dietrich vor und auch das Salzburger Domkapitel hatte noch so manche alte Rechnung mit dem unliebsamen Kirchenherrn zu begleichen …
Doch all dies konnte dem Herzog, der hartnäckige Widersacher durchaus gewohnt war, wohl kaum solches Kopfzerbrechen bereiten. Vielmehr schien ihm der Prozess um seinen Günstling, den »Hexenmeister«, mehr zuzusetzen, als er
selbst je zugegeben hätte. Maximilian konnte und wollte einfach nicht hinnehmen, dass seine Menschenkenntnis in diesem Fall derart versagt haben sollte.
KAPITEL 43
25. Januar 1612, Palais Mangfall-Pechstein, spätabends
MAN WAR ÜBEREINGEKOMMEN, dass Alberta sich bei den Gästen ihres Vaters nicht blicken ließ. Auch die Gräfin sollte sich nach der Begrüßung zurückziehen und die Herren allein verhandeln lassen. Erst gegen Ende der Diskussion würde Eleonora den Besuchern wiederum Gesellschaft leisten - falls es sich zeigte, dass ihr liebenswertes Wesen und ihre reife Schönheit dazu beitragen konnten, eventuell noch Schwankende auf Albertas Seite zu ziehen …
»Ich hätte keinerlei Bedenken, die Vorbehalte gegen Constanze von Heilbrunn anzuheizen und sie des Paktes mit dem Teufel zu bezichtigen - sofern es meinem Kind hilft«, hatte die Gräfin zuvor mit Bestimmtheit verkündet.
Es ging bereits auf Mitternacht zu und noch hatten der Graf und sein Beichtvater es nicht geschafft, alle Herren davon zu überzeugen, dass Constanze von Heilbrunns Anklagen blanker Hohn waren und lediglich gekränkter Eitelkeit entsprangen. Was es einigen der Anwesenden so schwermachte, dies zu glauben, war der Umstand, dass sich die Männer einfach nicht vorstellen konnten, ein wohlbehütetes, gut katholisch erzogenes Edelfräulein könne eine so perfide Lügnerin sein.
Der Tatsache ungeachtet, dass die Novizin keinerlei Verbindung
zur Außenwelt haben durfte, waren in München neuerdings Blätter im Umlauf, die Constanzes Vorwürfe ausgesprochen detailgetreu darstellten.
»Wie sollte eine keusche Jungfrau von selbst auf derartige Ausdrücke verfallen - denn dass die Gräfin keusch lebt, davon gehe ich aus«, sagte ausgerechnet Wilhelm Jocher, von dem der alte Graf sich Unterstützung erwartet hatte. »Sie kann diese schmutzigen Wörter nur von dem bösen Geist gehört haben, der sie unsittlich bedrängt. Und wenn ich das glaube, warum sollte ich dann nicht auch für möglich halten, dass es sich bei besagtem Dämon um Euren Sohn handelt?«
Christoph Gewold hingegen, ein enger Vertrauter Maximilians und ausgemachter Verfechter von Hexenprozessen, sah allerdings durchaus die Möglichkeit, dass der Teufel mit der Novizin im Bunde sein könnte.
»Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass es nicht auf den Stand der Weiber ankommt. Auch Edeldamen wurden schon als Hexen entlarvt und verbrannt. Die unsittlichen Ausdrücke kann sie durchaus von einem Dämon gelernt haben«, erklärte er. »Doch warum sollte dies der junge Mangfall-Pechsteiner sein? Ausgerechnet ein Edelmann, dem bisher noch keiner etwas Schlechtes hat nachsagen können. Im Gegenteil! Der junge Herr ist bis jetzt höchstens durch ganz besondere Zurückhaltung, was den Umgang mit dem weiblichen Geschlecht anbelangt, aufgefallen. Mir erscheint es jedenfalls nicht als unglaubwürdig, dass er sie als Braut abgelehnt hat und sie sich deshalb an ihm mithilfe des Teufels rächen will.«
»Ich denke auch, dass es Rachegelüste sind, von denen die Novizin sich leiten lässt«, fiel Balthasar Richel ein, der Geheime Rat, dessen Eheweib als Hexe auf dem Richtblock ihr Ende fand. »Das ganze Gerede von Hexerei lehne ich allerdings ab! Wenn Ihr mich fragt, hat die kleine Gräfin aus Wut
über die Zurückweisung, durch die sie sich gekränkt fühlte, das Ganze inszeniert, um den jungen Mann zu vernichten.«
Manche der Gäste Graf Wolfgang Friedrichs nickten zustimmend, während ein paar lebhaft den Kopf schüttelten; einige enthielten sich überhaupt jeglichen Kommentars.
»Vielleicht wäre es allmählich angebracht, Madame, dass Ihr Euch bei unseren Gästen blicken lasst.« Pater Winfried hatte sich unter einem Vorwand entschuldigt und die Gräfin in ihrem Gemach aufgesucht. Eleonora, die voll Unruhe zusammen mit Alberta die Zeit des Wartens verbrachte, verging beinahe vor Neugierde.
»Wie steht es denn, Pater?«, fragte sie atemlos, die Rechte auf ihr aufgeregt pochendes Herz legend.
»Es geht etwas schleppend voran«, musste der Benediktiner ihre hochgespannte Erwartung dämpfen. »Seit
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