Die Hexenadvokatin
heimlich die Höfe Europas, um Stimmung für ihren jungen König, Ludwig XIII., zu machen.
Dieser, ein extrem schüchterner Knabe von fast dreizehn Jahren, stand unter der Fuchtel der Regentin, seiner dominanten Mutter Maria de Medici, einer feisten, gewöhnlichen Person ohne besondere Geistesgaben. Sie selbst wiederum stand zurzeit unter dem Einfluss ihres macht- und geldgierigen Günstlings, Concino Concini, Maréchal d’Ancre.
In Adelskreisen regte sich längst vehementer Widerstand gegen diesen Parasiten auf Frankreichs Kosten. De Luynes und seine Gesandtschaft sannen darauf, wie man außenpolitisch das Ansehen des Monarchen stärken und ihn innenpolitisch den schädlichen Einflüssen entziehen könne.
Eine lebhafte Diskussion zwischen den Franzosen und den Deutschen entspann sich, wobei der Herzog und Alberta darauf bedacht waren, auf die Probleme ihrer Gäste einzugehen und ihnen dennoch keine verbindlichen Zusagen hinsichtlich etwaiger Hilfe zu machen. Alberta schlug sich dabei sehr wacker auf diesem heiklen Terrain. Lang genug hatte sie ja inzwischen Erfahrungen mit schwierigeren, diplomatischen Begegnungen gesammelt.
Anschließend redete man über die Jagd und über Pferde - ein Thema, zu dem auch Maximilians Schwager, der Pfalzgraf von Neuburg, einiges beizutragen hatte.
Zu später Stunde kam dann noch das Thema der »Neuen Welt« auf. Die Gräfin kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wie es schien, hatten Spanier und Portugiesen als kühne Seefahrer bereits ansehnliche Teile dieses neuentdeckten Kontinents unter sich aufgeteilt.
Aber auch Engländer und Franzosen waren unter großen Schwierigkeiten nach Westen gesegelt. Die Beschreibungen dessen, was sie dort vorgefunden hatten, schwankten zwischen der reinen Hölle und dem wahren Paradies.
»Man müsste sich dieses America einmal selbst anschauen, um beurteilen zu können, ob ein Leben dort eventuell erstrebenswert sein könnte«, meldete sich vollkommen überraschend Graf Wolf Konrad von Rechberg zu Wort, der Obersthofmeister des Herzogs.
Er löste damit eine heiße Diskussion darüber aus, ob eine Existenz auf diesem weitgehend unbekannten Erdteil möglicherweise eine Ersatzlösung bieten könnte für das Leben in dem weitgehend armen, zerstrittenen und immer wieder von Seuchen und Hungersnöten geplagten Europa.
Erst stand Herzog Maximilian diesem Gedanken vollkommen ablehnend gegenüber: Jeder hätte da zu bleiben, wo der Herrgott ihn hingesetzt habe, meinte er kategorisch. Als jedoch sein Schwager Wolfgang Wilhelm zu bedenken gab, dass die Verpflichtung guter Christen darin bestünde, den Heiden auf dem fremden Kontinent die christliche Religion zu bringen, lenkte Maximilian ein.
»Freilich, diesen ungläubigen Indianern muss man den wahren Gott und den allein seligmachenden Glauben übermitteln«, stimmte er am Ende zu. Die Besucher aus dem westlichen
Nachbarland konnten den Herzog in dieser Hinsicht beruhigen: Längst hatten sich französische Jesuiten auf den beschwerlichen Weg über den Ozean gemacht, um den Naturkindern, die zu ihrem Heidengott Manitou beteten, das heilige Evangelium zu verkünden.
Aber, so versicherten ihm die französischen Gäste, die Missionare, von denen schon viele ihr Leben durch die Hand heidnischer Eingeborener verloren hätten, seien der Meinung, es wäre wünschenswert, wenn Siedler aus Europa kämen, um Dörfer und Städte zu gründen …
Alberta hatte diesen Erörterungen höchst aufmerksam gelauscht. Spätnachts in ihrem Bett überdachte sie noch vor dem Einschlafen das Gehörte. Sogar im Traum verfolgten sie die Berichte der Franzosen. Am Morgen nahm die junge Frau sich vor, nach möglichst detaillierten Beschreibungen dieser »Neuen Welt« zu fahnden. Vielleicht zahlte es sich eines Tages ja aus, darüber Bescheid zu wissen. Womöglich bliebe ihr und ihrem Bräutigam nichts anderes übrig, als dorthin zu fliehen, um in Ruhe ihr Leben verbringen zu können … Der Vorfall des vergangenen Tages hatte seine Spuren hinterlassen: Nie zuvor hatte Alberta sich so hilflos und bedroht gefühlt - eine Erfahrung, die sie so schnell nicht wieder machen wollte. Ihr Vertrauen darauf, dass sich schon alles zum Guten wenden werde, war dauerhaft beschädigt. Erstmals beschlich sie eine dunkle Ahnung, dass ihre und Albrechts Geschichte durch widrige Mächte auch ein düsteres Ende nehmen könnte.
Den Vormittag verbrachte die Gräfin auf dem Rücken ihres Lieblingspferdes. Sie ritt - in Begleitung zweier
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