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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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berichten«, schickte sich Januarius Feldkirch an, seine Erörterung mit einem Fallbeispiel zu illustrieren. Das klang nach einem langatmigen und insgesamt unverfänglichen Gelehrtenvortrag. Wie Alberta unschwer erkennen konnte, atmeten einige der Zuhörer bereits auf, ja blickten sich sogar verstohlen und halb amüsiert an. Zu früh, wie sich bald zeigen sollte …
     
    Fast salbungsvoll trug der Zeuge Leben und Schicksal jener Heiligen der katholischen Kirche vor:
    »Auch Frauen aus dem höchsten Adel waren zu keiner Zeit davor gefeit, als Hexen verschrien zu werden. Birgitta Birgersdotter, im Jahre 1303 geboren, war eine nahe Angehörige des schwedischen Königshauses und Hofdame der Königin. Sie empfing nach eigenen Aussagen zahlreiche Offenbarungen in Form von Visionen und Auditionen.

    Ihre Begabung wurde von manchen bestritten, genauso wie ihre Prophezeiungen. Unter Berufung auf den Apostel Paulus - dass nämlich das Weib in der Gemeinde zu schweigen habe - predigte ein Dominikanerprior, dass Birgittas Visionen aus Träumerei und purer Einbildung bestünden. Ja, an die göttlichen Eingebungen einer Frau zu glauben, stellte er geradezu als Absurdität dar.
    Ausgerechnet ihr sollte Jesus Christus die Regeln für einen neuen Orden diktiert haben? Er riet ihr hämisch, mehr zu essen und regelmäßig zu schlafen, statt sich törichten Träumereien hinzugeben. Ein anderer Mönch meinte, sie solle wie alle braven Weiber zu Hause bleiben, statt Unfrieden zu stiften.
    Aber es blieb nicht bei verbalen Angriffen: Öfters wurde sie auch körperlich angegriffen und man drohte ihr mit dem Scheiterhaufen. Noch ein Jahr vor ihrem Tod im Jahr 1373, als die heilige Birgitta längst berühmt war, urteilte ein anderer Dominikaner: Ista est una mente capta (dies ist eine Verrückte). Es bedurfte insgesamt dreier Kanonisationen, bis Birgittas Heiligkeit unangefochten blieb.«
    Wie »der Oberste Kommissar« mit Genugtuung sehen konnte, blieb niemand von den Ausführungen des Zeugen unbeeindruckt. Auch von der zu Beginn von einigen zur Schau gestellten, überheblichen Langeweile war nichts mehr zu sehen.
    »Was ich damit dem hohen Gericht deutlich machen will, ist Folgendes«, fuhr der Theologe Feldkirch fort: »Es ist für ein Laiengericht ausgeschlossen, sachkundig über Heiligkeit, Besessenheit, puren Schwindel, Geisteskrankheit oder etwaige Teufelspakte zu befinden. Weltlichen Richtern fehlen dazu die Voraussetzungen. Selbst die Kirche hat bei der Beurteilung der heiligen Birgitta in den Jahren 1391, 1415 und 1419 um die Wahrheit gerungen, ehe sie zu einer endgültigen Entscheidung gelangte.«

    Zur Erhellung des Dilemmas vermochte er noch mit weiteren eindrucksvollen Beispielen aufzuwarten. Die junge Gräfin war indes überglücklich, dass dieser Theologe so deutlich in ihrem Sinne ausgesagt hatte. Welcher Richter könnte jetzt noch guten Gewissens für eine Verurteilung Constanzes die Hand erheben?
    »Selbst gegen die heilige Theresa von Avila wurde 1575 ein Prozess eröffnet und auch der Ordensgründer der Jesuiten, Ignatius von Loyola, machte einschlägige Erfahrungen mit der Heiligen Inquisition«, fügte Feldkirch am Ende noch hinzu. Er hatte die Anwesenden sichtlich beeindruckt.
    »Wie wir gehört haben, fällt es selbst unserer heiligen Mutter Kirche nicht selten schwer, die Spreu vom Weizen zu scheiden«, beschloss »der Oberste Kommissar« die Vernehmung des Zeugen. »Wir müssen uns also davor hüten, leichtfertig eine Verurteilung auszusprechen, die falsch sein könnte. Möge jeder von uns sich die Worte des letzten Zeugen zu Herzen nehmen.«
    Der hohe Geistliche war entlassen und das Gericht vertagte sich auf den übernächsten Tag, einen Donnerstag.

KAPITEL 54
    30. März 1612, in München
     
    UNERHÖRTES HATTE SICH zugetragen! Noch niemals war es vorgekommen, dass ein Geheimer Rat und angesehener Richter vom Pöbel Münchens angegriffen und regelrecht wie ein Vogelfreier durch die Gassen gejagt worden war. Genauer gesagt: Die Gräfin musste um ihr Leben rennen.

    Sie hatte morgens ihre Wohnung verlassen, um einige Besorgungen in der Stadt zu tätigen. Beim Neuhauser Tor wurde sie von vier herumlungernden Männern angebettelt. Alberta, die stets in dem Bewusstsein aufgewachsen war, dass sie selbst in ihrem zumindest materiell sorglosen Leben großes Glück hatte und dass es dieses Glück mit den weniger Bevorzugten zu teilen galt, zögerte nicht lange und suchte ein paar Münzen zusammen. Nachdem sie die

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