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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Geldstücke in die ihr entgegengestreckten, schmierigen Kappen hatte fallen lassen, fiel ihr auf, dass sie diese Kerle noch nie in München gesehen hatte - und sie bildete sich doch ein, sämtliche »Stadtbettler« ziemlich gut zu kennen …
    Aber da war es bereits zu spät: Flink riss ihr einer der angeblichen Bittsteller die Börse aus der Hand. Die Gräfin bedauerte jetzt, ihre lederne Geldkatze nicht - wie es üblich war - am Gürtel hängend zu tragen. Diese Art, den Beutel zu verwahren, erinnerte sie immer zu penetrant an Händler- und Kaufmannsart. Sie pflegte ihr Geld in einer Lederbörse in einer Tasche ihres dunklen Überrocks aufzubewahren.
    Ehe sie sich überhaupt wehren konnte, versuchte einer der Gauner, ihr ins Gesicht zu schlagen. Als sie auswich, stellte ihr ein anderer von hinten ein Bein und sie fiel rücklings auf die Erde. Als sie am Boden lag, fingen ihre Angreifer an, sie in die Rippen zu treten.
    Trotz ihrer ungünstigen Lage wurde Alberta nicht von Furcht ergriffen, sondern vielmehr von einer unbändigen Wut - vor allem als deutlich wurde, dass keiner der Umstehenden Anstalten machte, ihr beizustehen oder wenigstens die Stadtwache zu Hilfe zu rufen. Das war an sich vollkommen unüblich. In der Regel wurden die Wachsoldaten bei jeder Banalität herbeigeholt.
    Irgendetwas stimmte hier nicht, zumal der Tag längst angebrochen
war und die Gegend zu einer der belebtesten der Residenzstadt gehörte - auch wenn es augenblicklich unter dem Torbogen noch ein wenig düster war. Es schien eine Verschwörung im Gange zu sein.
    Der Zorn verlieh der Gräfin ungeahnte Kräfte und ehe die Strolche sich’s versahen, stand Alberta wieder auf den Beinen und zog ihren Degen, worauf die Angreifer feige zurückwichen. Immerhin konnte sie noch einem der zerlumpt aussehenden Männer einen gehörigen Schmiss an der Backe zufügen, bevor die Schurken sich davonmachten.
    Als Alberta sich ein wenig zittrig den Straßenstaub von den Kleidern klopfte, wurde sie von Passanten umringt. »Was glotzt ihr so dämlich?«, entfuhr es ihr wütend. »Hättet ihr nicht eingreifen können, als die Kerle zu viert auf mich losgingen?«
    Und da begann es! Die Gräfin glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. »Pfui, Hexenrichter, pfui!«, skandierten Männer und Weiber. »Lass die Heilige frei!«, »Pfui, Hexenrichter, pfui!«, »Gib uns unsere heilige Schwester Constanze wieder!«, kreischte eine Alte und schwenkte drohend ihre Krücke gegen sie.
    »Jawohl! Lass unsere heilige Constanze endlich frei!«, hörte »der Hexenkommissar« die Menge schreien. Dann drangen sogar schrille Rufe an ihr Ohr: »Packt den Richter! Hängt ihn auf! Verbrennt ihn!« Schließlich überlagerte die Stimme eines Einzelnen den Chor: »Das dauert zu lang! Schlagt den Saukerl lieber gleich tot!«
    Das klang jetzt doch sehr bedrohlich und Alberta, der weiterhin gar keine Zeit zum Angsthaben blieb, versuchte, den Rückzug anzutreten. Aber inzwischen war die aufgebrachte Menge zu sehr angewachsen; es gab kein Durchkommen mehr. Die Menschen standen so dicht, dass sie ihren Degen
nicht benutzen konnte, sondern immer ein paar Schritte zurückweichen musste, in Richtung Neuhauser Tor.
    Endlich drang durch den Lärm das Hufgeklapper der Pferde der berittenen Ordnungsmacht hindurch. Alberta, die allmählich am Ende ihrer Kräfte war, atmete auf. Die feindliche Menge lichtete sich ein wenig und es bestand die Hoffnung, ihr entfliehen zu können. Doch dann entfernte sich das Geklapper und sie wusste, dass die Stadtwache in eine andere Gasse abgebogen war.
    »Sehen die blöden Hammel denn nicht, dass sich hier ein gefährlicher Volkshaufen gegen einen Einzelnen zusammengerottet hat?«, dachte Alberta, jetzt auf einmal panisch. Ihr Zorn wich einer alles beherrschenden Furcht, die sich in ihr ausbreitete und ihre bisherige Besonnenheit jäh verdrängte. Schreien würde ihr nichts nützen, dazu war das Gebrüll der ihr erneut auf den Leib rückenden Menge zu laut.
    Gleich darauf jagte sie die feindselige Meute regelrecht. Sie lief wie ein Hase, ständig die Hunde auf den Fersen. Mittlerweile hatten die Menschen aufgehört, ihr Drohungen hinterherzuschreien; dafür sah Alberta nun Steine an ihrem Kopf vorbeifliegen, unter denen sie sich instinktiv wegduckte; ängstlich darauf bedacht, ihren Verfolgern nur ja nicht in die Hände zu fallen, rannte sie, wie sie noch nie in ihrem Leben gerannt war.
    Zum Glück gelang es ihr, die Richtung zur Residenz einzuschlagen, nachdem sie die

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