Die Hexenadvokatin
daran, dass sie ihre frühere Ängstlichkeit und Naivität verloren hatte und zu einer gewitzten, mutigen Person herangereift war.
Da Contzen immer noch keinerlei Anstalten machte, sich zu äußern, nützte Alberta die Zeit, um sich unauffällig im Gemach des Paters umzuschauen. Kein Zweifel, schon seine Bibliothek verriet, dass er ein hochgelehrter Mann war. Sie schätzte die Anzahl der in den Regalen untergebrachten, dichtgedrängten Bände auf etwa eintausend.
Dazu kamen noch die zahlreichen auf Tischen, Stühlen und Kommoden teils ausgebreiteten, teils zusammengerollten Papiere und Pergamente sowie die aufgeschlagenen Bücher, Folianten und Landkarten.
Der alte Mann schien sich für vieles zu interessieren. Auf einen Blick hatte die Gräfin mit geübtem Blick sowohl den Hexenhammer, die Werke des Martin Del Rio und des Jean Bodin, sowie die nach Ansicht der Kirche »ketzerischen« Schriften des Arztes Weyer erspäht.
Als der Jesuit noch immer kein Wort verlauten ließ, begann sie sich langsam äußerst unwohl zu fühlen.
Da hob Pater Contzen endlich seinen nahezu fleischlosen Geierkopf mit der mächtigen Hakennase und schaute ihr voll ins Gesicht. Die dunklen, tiefliegenden Augen loderten zornig.
»Das habt Ihr Euch ja prächtig ausgedacht, Graf! Oder soll ich sagen ›Gräfin‹? Mich zum Mitwisser Eures Betruges zu machen - einfach perfide!«
Alberta blieb beinahe das Herz stehen. Dies klang schlichtweg vernichtend. Jetzt war alles aus! Warum in Dreiteufelsnamen hatte sie nicht weiterhin einfach ihren Mund gehalten? Ehe sie sich jedoch in vergeblichen Selbstvorwürfen ergehen konnte, hörte sie den Mönch weitergrollen:
»Diese grandiose Idee, bei mir die Beichte abzulegen, stammt gewiss von diesem Schlauberger Winfried, nicht wahr? Dadurch, dass ich jetzt durch das Beichtgeheimnis zum absoluten Stillschweigen verpflichtet bin, seid Ihr und Eure Sippe vorerst fein heraus! Vorerst, sage ich! Aber irgendwann müsst Ihr doch beim Herzog Farbe bekennen und mit der Wahrheit herausrücken.
Jedoch habt Ihr zumindest eines erreicht: Ich bin jetzt gezwungen, meinem Herrn und Beichtkind die Idee mit dieser Heirat auszureden! Sie wäre nämlich eine Todsünde. Zu diesem schlauen Schachzug kann ich Euch nur beglückwünschen, Gräfin!«
Im gleichen Augenblick brach Pater Contzen in ein homerisches Gelächter aus, das die Gräfin vollends verwirrte, so erschrocken war sie über den unerwarteten Heiterkeitsausbruch des durch langjährige Askese ausgezehrten Jesuiten. Sie wagte nicht, in das Lachen einzustimmen - wusste sie doch nicht, welcher Paukenschlag nachfolgen würde.
Aber der Ordensmann lachte sie nun ganz offen an und sein faltenreiches, üblicherweise verkniffenes Gesicht strahlte förmlich vor Vergnügen. Ja, er ließ sich sogar dazu hinreißen, sich mit den blau geäderten, altersfleckigen Händen auf seine mageren Oberschenkel zu klopfen.
»Womit allerdings bewiesen wäre, dass Frauenzimmer nicht unbedingt dümmer oder feiger sein müssen als ihre männlichen Artgenossen! Was für eine absurde Geschichte!«, keuchte er, als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Er kicherte
leise und schüttelte den Kopf. »Und so unnötig wie ein Kropf, mein Sohn. Pardon, meine Tochter !« Der Pater begann schon wieder zu lachen.
Auf den ratlosen Blick Albertas hin bequemte sich der Jesuit zu einer Erklärung.
»Nun, bedenkt doch! Wozu der ganze gefährliche Aufwand? Euer Vater hat, soweit ich weiß, einen gesunden, jüngeren Sohn. Der hätte doch nach einigen Jahren die Stelle Eures verstorbenen Bruders einnehmen können, oder? Herrgott im Himmel! Warum überhaupt das ganze Theater?« Pater Contzen hieb jetzt mit der knochigen Faust zornig auf die Tischplatte.
Sein Lachen endete abrupt und er zeigte seinen üblichen mürrischen Gesichtsausdruck. »Es musste doch nicht die unschuldige Zwillingsschwester sein, die ihr Leben ruinierte für einen verantwortungslosen, jungen Spund, der seinen rebellischen Schwanz nicht unter Kontrolle zu halten vermochte. Er hat sich doch, wie ich Eurer Beichte entnehme, selbst in die unglückliche Lage mit der kleinen Italienerin gebracht!
Wenn die ehrlose Geschichte ruchbar geworden wäre, hätte der Skandal zwar riesige Wellen geschlagen - mit den entsprechenden Konsequenzen für die Äbtissin. Eure Familie, Gräfin, hätte man vielleicht eine Weile schief angesehen - aber es war keineswegs nötig, dass man deswegen Euch zu diesem Wahnsinn angestiftet hat.«
»Ruinierte,
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