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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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für seine Verwandte nicht infrage komme!«
    »Halt! Halt! Nicht so vorschnell, meine Tochter. Wir wollen in Ruhe alle Möglichkeiten ausloten, die wir noch haben.«
    »Haha!« Albertas Gelächter klang bitter. »Als ob es da so viele gäbe!«
    »Eine gibt es immer, meine Liebe. Und die wollen wir beim Schopf packen, nicht wahr?«
    »Habt Ihr etwa schon eine Idee, Pater Winfried?« Zaghafte Hoffnung keimte in Alberta auf.
    »Noch nicht, nein. Das Wichtigste ist jetzt, dass Ihr Zeit gewinnt. Wir müssen jede Entscheidung, die auf eine Heirat hinausläuft, aus den uns bekannten Gründen auf die lange Bank schieben. Dann werden wir weitersehen.«
    »Schön! Das klingt ja recht gut, Pater«, entgegnete Alberta, fast ein wenig verärgert über den Stoizismus ihres Mentors. »Ich weiß bloß nicht, wie ich das bewerkstelligen soll. Der Herzog hörte sich an, als liege ihm viel an einer baldigen Hochzeit.«
    »Wartet, meine Liebe, wartet! Ich glaube, mir kommt da gerade ein Gedanke …« Sinnierend wanderte der alte Benediktiner im Salon des gräflichen Stadtpalasts auf und ab. Als einer der Diener sich dezent bemerkbar machte, um nachzufragen, ob es »dem Herrn Grafen genehm wäre, das Mittagsmahl einzunehmen«, winkte Alberta entrüstet ab. Sich jetzt hinzusetzen und zu essen, als ob nichts geschehen wäre - ein absurder Gedanke!
    Wie der Blitz machte sich der Domestik aus dem Staub. Irgendetwas musste vorgefallen sein, was seinen sonst so ausgeglichenen jungen Herrn aus der Ruhe gebracht hatte. Für einen klugen Diener war es in so einer Situation am besten,
sich unsichtbar zu machen, um nicht am Ende den Unmut der Herrschaft am eigenen Leib verspüren zu müssen …
    Der Mönch verharrte mitten im Schritt. »Jetzt, glaube ich, hab’ ich’s«, verkündete er und sah die Gräfin an. Die hatte sich mittlerweile an eines der großen Fenster des Salons gestellt und auf die, aufgrund der Furcht vor der Pest, ziemlich unbelebte Gasse hinuntergeschaut.
    »Lasst hören, Pater!« Alberta klang ungeduldig; erwartungsvoll richtete sie den Blick auf ihren alten Freund.
    »Wenn Ihr mir aus dieser brisanten Lage herauszuhelfen vermögt, Pater, dann, dann …«
    Trotz der fatalen Situation, in der sich sein Schützling befand, lachte er. »Lasst gut sein, Alberta. Ich bin schon zufrieden, wenn Ihr mich, solange ich atme, bei Euch duldet. Ich glaube, für ein Leben im Kloster - unter einem strengen Abt und mit zahlreichen Mitbrüdern - bin ich längst verdorben: Unterordnung und unbedingter Gehorsam fielen mir äußerst schwer.«
    Der Mönch setzte sich, zupfte an seiner Kutte und schlug ein Bein über das andere, wobei er seine großen Füße in den dunkelbraunen Sandalen sehen ließ. Alberta fiel plötzlich auf, wie schäbig diese inzwischen aussahen, und beschloss spontan, ihm umgehend ein neues Paar anfertigen zu lassen. Es war geradezu eine Schande, dass der treue Mönch in so elendem Schuhwerk herumlief.
    »Ihr habt neulich den Beichtvater unseres Herzogs beim Grafen von Preysing gesehen, meine Liebe?«, erkundigte sich Pater Winfried.
    »Freilich. Ihr meint Pater Contzen, den Jesuiten, nicht wahr? Was ist mit ihm?«
    Da erklärte ihr Pater Winfried seinen Plan. Das war nicht ganz einfach, denn die Gräfin sträubte sich anfangs hartnäckig
dagegen. Dann jedoch erkannte sie dessen Raffinesse und - willigte schließlich ein. »Ihr seid doch ein ganz schlauer Fuchs, Pater«, meinte sie; und es gelang ihr dabei sogar ein schwaches Lächeln.

KAPITEL 64
    5. Mai 1612, in der Kirche Zu Unserer Lieben Frau
     
    DIE VERGANGENEN TAGE hatten die Gräfin zu Mangfall-Pechstein und ihr getreuer »Schatten«, Pater Winfried, damit verbracht, dem Beichtvater des Herzogs regelrecht hinterherzuhecheln. Obwohl bereits in fortgeschrittenem Alter, war der Jesuit und Vertraute Maximilians nicht nur von einer bemerkenswerten Agilität des Geistes, sondern auch von einer außergewöhnlichen, körperlichen Mobilität.
    Pater Contzen war ständig in Bewegung; nie hielt es ihn lange an einem Fleck. Sein schmaler Schädel, den nur noch ein ganz dünner Haarkranz zierte, ruckte beständig auf und ab - was Pater Winfried einst zu der launigen Bemerkung veranlasst hatte, Contzen wirke wie ein Gockel, der Körner aufpicke …
    Wie ein Wirbelwind sauste der magere Jesuitenmönch durch die weiten Flure der Residenz und durch die Gassen Münchens, ja selbst in der Kirche bewegte er sich mit ungewöhnlicher Hast. Dieser kaum gebremste Bewegungsdrang seines

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