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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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neigte sein schmales Haupt. »Wie Ihr wünscht, Graf.«
    Albertas Augen suchten Pater Winfried, der in der Nähe gewartet hatte. Er nickte seinem Schützling aufmunternd zu und reckte unauffällig den Daumen seiner rechten Hand nach oben.
    Damit schien er ihr »Viel Glück!« zu signalisieren.
     
    Die kurze Strecke von der Liebfrauenkirche zur Residenz erforderte geraume Zeit, obwohl der Jesuit sie beinahe im Laufschritt zurücklegte. Auf der Gasse erkannten ihn immer wieder Bürger und adlige Herrschaften und begrüßten ihn voll Hochachtung. Es war gewiss von Vorteil, sich diesen Mann mit seinen Verbindungen »nach ganz oben« - im geistlichen wie im weltlichen Sinne - geneigt zu machen.
    Alberta fühlte sich wie auf glühenden Kohlen, als sie zum wiederholten Male anhalten musste, um mitzuerleben, wie irgendein
Junker oder eine dralle Bürgersfrau sich vor dem in einen schwarzen Gelehrtentalar gehüllten Pater verneigte, ihm die Hand küsste und allerlei artige Komplimente machte. Contzen, der die wachsende Ungeduld seines so überraschend aufgetauchten Beichtkindes spürte, wollte dieses offensichtlich nicht länger auf die Folter spannen.
    Er wehrte mit einem Mal alle ab, die Anstalten machten, sich ihm in den Weg zu stellen und hakte sich bei seiner Begleiterin unter. Zum Erstaunen der Gräfin begann er zu kichern: »Die Münchner werden sich nicht wenig wundern, den gegen Ketzer und Hexen als äußerst unnachsichtig verschrienen Pfaffen des Herzogs und den selbsternannten Hexenadvokaten Seiner Durchlaucht Arm in Arm einträchtig durch die Stadt marschieren zu sehen!«
    Alberta schluckte. Ihr neuester - und durchaus nicht von allen als witzig empfundener - Spitzname hatte sich demnach bereits in der ganzen Stadt verbreitet.

KAPITEL 65
    5. Mai 1612, in Pater Contzens Studierstube
     
    »STÖRT ES EUCH, Graf, wenn ich mich Euch gegenüber hinsetze - sozusagen von Angesicht zu Angesicht? Oder zieht Ihr es vor, dass ich mein Gesicht abgewandt halte und hinter einem weißen Tuch verberge, wie es sonst üblich ist?«
    »Nein, nein, Ehrwürdiger Vater! Bitte, nehmen wir einander gegenüber Platz. Das erleichtert mir die Rede über den heiklen Punkt, den ich mit Euch zu besprechen habe, Pater.«
    Und mit einem Seufzen begann die Gräfin ihre Beichte, anfangs
noch stockend, dann immer flüssiger. Der Jesuit lauschte schweigend, mit geneigtem Haupt, den am Ende förmlich aus ihr hervorsprudelnden Worten. Er gab durch nichts zu erkennen, wie er das Gehörte aufnahm: Ob er davon so schockiert war, wie Alberta es vermutete, ob es ihn innerlich kalt ließ - wie Pater Winfried es vorhergesagt hatte - oder ob es ihn möglicherweise sogar amüsierte.
    Was die Gräfin zu Mangfall-Pechstein zur Sprache brachte, war etwas ganz anderes, als die Bagatellen, die der Jesuit für gewöhnlich zu hören bekam: jene lässlichen, kleinen Sünden und langweiligen Vergehen, die, wie Pater Winfried es einmal ausgedrückt hatte, nicht nur jeden Beichtvater, sondern vermutlich den Herrgott selbst zum Gähnen brachten …
    Als die junge Frau endlich schwieg, blieb es noch mehrere Minuten lang mäuschenstill in der ein wenig überladenen, prächtig ausgestatteten Studierstube. Die Gräfin fühlte sich wie ausgelaugt. Sie war müde und erschöpft, aber gleichzeitig wie befreit von einer tonnenschweren Last, die ihr fast ein Jahrzehnt lang auf der Seele gelegen hatte.
    Jetzt mochte geschehen, was wollte. Sie hatte das Ihrige dazu getan, um wieder »Ordnung« in ihr Leben zu bringen. Der Anfang war wenigstens gemacht. Sie würde es sogar auf sich nehmen, sollte sie zur Sühne verbannt werden oder … Nein, ins Gefängnis oder auf die Galeere würde sie nicht gehen! Dann fiel ihr zum Glück ein, dass Frauen nicht zur Galeerenstrafe verurteilt wurden.
    Es würde nicht leicht sein, sich wieder als Dame in der Welt zurechtzufinden. Notgedrungen hatte sie sich eine Menge männlicher Sichtweisen und Reaktionen angeeignet. Allein ihre Ausdrucksweise war eine ganz andere geworden. Sie nahm mittlerweile Begriffe in den Mund, die ihre Mutter, Gräfin Eleonora, zutiefst schockieren würden. Auch ihre Denkweise
hatte sich »vermännlicht« und ihre weibliche Empfindsamkeit hatte - notwendigerweise - abgenommen.
    Könnte sie jemals wieder zu der werden, die sie einst war? Einen gewissen Trost spendete ihr die Tatsache, dass Albrecht sich in sie verliebte, als sie sich bereits seit längerem in einen »Mann« verwandelt hatte. Er störte sich offenbar nicht

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