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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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übel. Für ihn bedeutete das dann die endgültige Rückkehr in sein Heimatkloster im oberbayerischen Ettal. Nicht, dass es einem dort nicht gefallen konnte! Nein, das war es nicht, was den alten Klosterbruder entsetzte. Es war nur das vage Gefühl, nicht mehr jung und flexibel genug zu sein, um sich der Klosterdisziplin - und einem gestrengen Abt - zu unterwerfen.
    Andererseits: Wie sollte er die wochenlange Schiffsreise
übers unergründliche, feindliche Meer überstehen? Und wer wusste schon, was einen »drüben« erwartete? Wilde Tiere? Gefährliche Ungeheuer? Heidnische Indianer? Ungewohntes Essen?
    Alberta wusste ihm jedoch behutsam seine Angst Stück für Stück zu nehmen. Ja, der bejahrte Benediktiner fühlte sich auf einmal wieder unverzichtbar. Er hatte seinem Schützling doch immer gute Ratschläge gegeben - bis auf das eine Mal, das er schon tausendmal bereut hatte. Er konnte nicht anders und musste Alberta nochmals um Vergebung bitten; keiner von beiden wusste indes noch, wie oft dies in den letzten Jahren schon geschehen war …
    »Grämt Euch deswegen nicht mehr, Pater!«, bat sie ihn. »Wer weiß - vielleicht hat alles so kommen müssen. Ich denke beinahe, Gott hat es so gewollt. Ich hatte eine Aufgabe in meiner Rolle als Mann zu erfüllen. Und diese Rolle, Pater, gedenke ich auch noch eine kleine Weile - solange es nötig ist - als Geheimer Rat und Oberster Kommissar des Herzogs mit Verantwortungsgefühl und menschlicher Barmherzigkeit wahrzunehmen.«
    Auf den verständnislosen Blick des Mönchs hin legte ihm die junge Frau den Arm um die Schulter.
    »Ihr denkt doch wohl nicht, Pater, dass ich im Sinne Maximilians und der Jesuiten das Todesurteil über das harmlose Kräuterweiblein und seine unschuldige Enkeltochter verhängen werde? Ich habe mein eigenes Gewissen und das sagt mir, dass die beiden Frauen vollkommen schuldlos sind. Die bösartigen Vorwürfe der Hexerei stammen von neidischen Ignoranten. Und mich zu deren Büttel machen zu lassen - so weit werde ich nicht herabsinken! Ich sage Euch, Pater, mein Verstand und mein Herz wehren sich gegen diesen Unsinn! Mögen mein Gehirn und mein Gemüt nun männlich oder weiblich
sein: Ich fühle und denke als Christ und Mensch. Und als solcher werde ich alles tun, um die Ärmsten aus dem Falkenturm zu befreien. Dazu werde ich allerdings Eure Hilfe brauchen, Pater Winfried.«
    »Alles, was Ihr nur wollt, meine Liebe, werde ich tun, um dieses gottgefällige Werk zu vollbringen«, versprach der alte Benediktiner, der sofort Feuer und Flamme war. Er schien förmlich aufzublühen.
    Flüchtig streifte ihn der Gedanke an eine längst vergangene Zeit, als Alberta - als angehende Studiosa der Rechte - die Hexenprozesse noch vehement verteidigt hatte. Seitdem schienen Jahrhunderte ins Land gezogen zu sein …
    Jetzt brauchten sie nur noch einen guten Plan, um ihr Vorhaben der Befreiung der Angeklagten zu bewerkstelligen - und ihre eigene Flucht aus der Residenzstadt. Bei Gott, einfach würde es nicht werden.
     
     
     
    16. Mai 1612, im Palais Mangfall-Pechstein;
man schmiedet Pläne
     
    Stundenlang hatten Pater Winfried und Alberta Pläne entworfen und verworfen, hatten Strategien entwickelt und sich wieder von ihnen verabschiedet. Irgendwo gab es immer eine oder mehrere Schwachstellen.
    Das Hauptproblem war, dass sie nicht wussten, ob und wie viele Männer in der Wachstube im Erdgeschoss des Falkenturms postiert sein würden.
    Vor einigen Tagen hatte der »Eisenhans« mit dem Diebesgesindel, dem Mörderpack und einem ganz üblen Frauenschänder »aufgeräumt«. Draußen auf dem Galgenberg hatte wieder einmal ein Volksfest stattgefunden. Insgesamt sieben Verbrechern
machte Hans Bürgler unter dem Beifall einer großen Zuschauermenge mit dem Henkersbeil den Garaus.
    Demnach waren nur noch die zwei »Hexen« im Keller des Gefängnisses angekettet. Auch Pater Winfried konnte sich vorstellen, dass man das Wachpersonal abgezogen hatte. Denn in den beiden Frauen sah wohl niemand eine große Gefahr - auch wenn sie doch eigentlich der Zauberei fähig sein sollten …
    »Aber genau werden wir es erst wissen, wenn wir vor Ort sind«, gab der Benediktiner zu bedenken. »Wie könnten wir denn die Wächter gegebenenfalls übertölpeln?«
    »Möglicherweise mit Freibier, das ich stifte und dem wir zur Sicherheit ein Schlafpulver beimischen«, schlug die Gräfin vor.
    »Vergesst den Scharfrichter und seine Frau nicht, meine Tochter! Auch die müssen wir

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