Die Hexenadvokatin
ungläubig den Kopf.
»Einen Meldeschein erhält Maximilian, einen sein längst nicht mehr amtierender Vater, Herzog Wilhelm, ein dritter ist für den Hofmarschall und den vierten kriegt der Bürgermeister.«
Die drei Herren waren sich einig, dass ein solches Übermaß an Überwachung und behördlichem Aufwand nur von Übel sei und niemandem etwas nütze.
Ehe sie sich aber weiter echauffieren konnten, signalisierten die riesigen Bärenhunde des Grafen - ein Import aus den Pyrenäen -, dass sie den Petz in seinem Winterquartier aufgestöbert hatten. Die Jagd ging los.
1. Februar 1604, in der Studentenunterkunft in Bologna
»Seht Ihr, Pater? Es war also doch etwas Wahres dran an den Vermutungen des Herzogs, dass sich bei uns Hexen breitmachen. Man hat ihnen jetzt in München kurzerhand den Garaus gemacht, nachdem ihnen der Jesuitenpater Alberini auf die Schliche kam. Und mein Vater hat sich geirrt, als er meinte, in seinem Herrschaftsgebiet gäbe es keine solchen Satansbräute.«
Mit beinahe triumphierender Miene faltete Alberta den Brief ihres Vaters zusammen. Ihr Mentor war unangenehm berührt.
»Ist das tatsächlich die Lehre, die Ihr daraus zieht, meine Tochter?«, fragte er bedrückt. »Nur weil ein übereifriger Jesuit aus München glaubt, bei diesen armseligen Geschöpfen
handle es sich um Teufelsdienerinnen, findet Ihr es gerechtfertigt, dass man diese unglücklichen Frauen auf den Scheiterhaufen schickt?«
»Wohin sonst sollten sie denn, Eurer Meinung nach, geschickt werden, Pater? Genau da gehören solche Weibsbilder, die ihre Seele dem Bösen verkauft haben, doch hin! Nur durch das reinigende Feuer können ihre Seelen, die sonst gänzlich dem Satan verfallen wären, gerettet werden«, deklamierte Alberta voll Inbrunst.
Dem Pater wurde eiskalt bei diesen Worten. Harsch fuhr er dazwischen:
»Ach ja? Und Ihr glaubt, nur wenn man sie dem unsagbar grausamen Feuertod überantwortet, gelangen sie ins ewige Paradies? Das würde ja bedeuten, dass wir den armen Weibern noch einen Gefallen damit tun, wenn wir sie so entsetzlich quälen! Denkt Ihr wirklich so?«
»Selbstverständlich, Pater! Natürlich. So ist es doch: Allein die Flammen vermögen diese verirrten Seelen, die sonst dem Teufel ausgeliefert wären, vor dem ewigwährenden Höllenfeuer zu bewahren. Auch die Lehrer hier an der Universität vertreten diesen Standpunkt. Sie bringen uns bei, dass diese Gottesleugnerinnen zu ihrem eigenen Besten mit aller Härte des Gesetzes zu verfolgen sind.
Hexenrichter zu sein ist ein schweres Amt, denn es erfordert größtes Verantwortungsgefühl. Ein Richter ohne die notwendige innere Stärke, einer, der sich von falschem Mitleid leiten lässt, ist nicht geeignet, diese Prozesse zu führen.« Alberta hatte sich in Rage geredet, die Röte war ihr in die Wangen gefahren. Sie konnte einfach nicht begreifen, warum Pater Winfried das Offensichtliche nicht erkennen wollte. Schließlich stellten die Hexen doch eine Gefahr dar, vor der es die Allgemeinheit zu schützen galt!
Der Pater schwieg eine ganze Weile, ehe er mit leicht heiserer Stimme antwortete: »Ich weiß, dass viele leider immer noch so denken, meine Tochter. Aber ich meine, dass jemand, der sein Herz der Fähigkeit des menschlichen Mitgefühls verschließt, aufgehört hat, ein Mensch zu sein.«
»Wie könnt Ihr nur so schreckliche Dinge über alle gelehrten Herren der Kirche sagen, Pater? Ihr kennt doch die Meinung des Heiligen Vaters dazu. Glaubt Ihr etwa, der Papst ist kein Mensch?«
»Ich glaube - und da stehe ich zum Glück mit meiner Meinung nicht allein da -, dass diesen sogenannten ›Hexen‹ unfassbares Unrecht widerfährt«, wich der Pater der Beantwortung dieser heiklen Frage aus. »Keinem Tier würden wir diese Torturen zumuten - aber unseren armen Schwestern und Brüdern, die sich möglicherweise in einem Zustand geistiger Verwirrung befinden und viel eher der Behandlung eines kundigen Arztes bedürften. Folter und Hinrichtung erscheinen mir mitnichten als geeignete Mittel, um diese Verirrten wieder auf den Pfad christlicher Tugend zu bringen.
›Selig die Armen im Geiste‹, sagte unser Herr Jesus - den Scheiterhaufen hat er in der Bergpredigt meines Wissens nicht erwähnt. Und noch etwas: Eure Lehrer an der Universität mögen Euch Studenten zwar zur Wachsamkeit auffordern, aber gerade in Italien lässt die Justiz eine strega in aller Regel in Frieden!«
»Aber die meisten Beschuldigten geben doch zu, die schrecklichen
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