Die Hexenadvokatin
gefallen.
Aber einige brenzlige Augenblicke musste sie schon durchstehen, vor allem, wenn es um »Männerthemen« ging. Manches Mal verstand sie nicht einmal die Ausdrücke, welche die jungen Kerle benützten … Um ihr verräterisches Erröten zu kaschieren, suchte sie dann Zuflucht in krampfhaften Lachanfällen, die meistens in einem furchtbaren Hustenanfall endeten.
Da sie in solchen Angelegenheiten kaum ihren geistlichen Begleiter fragen konnte, nahm sie sich vor, in Zukunft den Kameraden ganz genau zuzuhören, wenn diese das Thema »Frauen« und »Liebe« aufs Tapet brachten.
Ein weiteres Problem war das unter Männern übliche, gemeinsame Urinieren. Da blieb ihr nichts anderes übrig, als ihre Blasenfunktion zu beherrschen, in Gesellschaft nicht viel zu trinken und im Fall der Fälle ein »großes Geschäft« vorzutäuschen, welches im Allgemeinen gestattete, den Abtritt alleine aufzusuchen, beziehungsweise, dasselbe hinter geschlossener Türe zu verrichten.
Wie ihr verstorbener Bruder war auch Alberta umgänglich, heiter, großzügig und gutmütig und hatte auch hin und wieder gegen einen derberen Scherz unter Kommilitonen nichts einzuwenden, was ihr das Zusammensein mit diesen ungemein erleichterte. Die äußere Ähnlichkeit mit Rupert war ohnehin
frappierend, das musste selbst der Pater zugeben. So bestand kein Anlass, dass irgendjemand Verdacht geschöpft hätte.
Die Studiosa lebte ausgesprochen gern im Süden und das Weihnachtsfest auf italienische Art zu feiern, fand sie ungeheuer aufregend. Daheim war Weihnachten eine eher besinnliche Angelegenheit - Dunkelheit, klirrende Kälte und meterhohe Schneewehen mochten das ihre dazu beitragen -, aber hier hatte man Temperaturen, die deutlich über dem Gefrierpunkt lagen, und die Sonne lachte von einem seidigblauen Himmel.
Sogar die Weihnachtslieder klangen anders als zu Hause: Nicht so sentimental und feierlich, sondern temperamentvoll mitreißend und ausgesprochen heiter.
»Man spürt, dass die Menschen sich über die Geburt unseres Herrn freuen; ihre frohen Gesänge lassen einen fühlen, dass dies doch ein Freudentag ist und keineswegs ein Fest der Melancholie. Bei uns habe ich immer den Eindruck, dass wir schon am Geburtstag Jesu dreißig Jahre vorausdenken - an den Karfreitag nämlich.«
»Da ist sicher was dran«, gab der Pater ihr Recht und wunderte sich einmal mehr über dieses junge Menschenkind, das keineswegs so oberflächlich war, wie es ihm manchmal erschien.
»Die Italiener haben ein anderes Gemüt als wir Deutsche«, fügte er hinzu. Er konnte durchaus verstehen, dass Alberta sich davon angezogen fühlte: Immerhin war ihre Mutter, die Gräfin, eine Welsche. Was ihn anlangte, litt er unter heftigem Heimweh - aber das hätte der Benediktiner niemals zugegeben.
»Es tut mir leid um Euch, Pater«, hörte er seinen Schützling da sagen. »Ich weiß wohl, wie sehr Ihr Euch wünscht, die
Weihnachtstage zu Hause auf Schloss Pechstein zu verbringen.«
»Danke für Euer Mitgefühl, meine Liebe. Aber ich alter Mann sollte mich nicht wie ein kleines Kind aufführen. Und das habe ich vermutlich getan - wie sonst könntet Ihr so genau wissen, was in mir vorgeht?«
»Ich brauche Euch nur anzusehen, um zu verstehen, dass Ihr Heimweh habt nach Bayern, nach unserem Schloss und seiner herrlichen Umgebung«, meinte Alberta vorsichtig, bemüht, den Pater nicht zu beschämen. »Glaubt mir, auch ich weiß mein schönes Zuhause sehr zu schätzen, aber hier in der Fremde gefällt es mir beinahe ebenso gut.
Und jetzt macht kein so betrübtes Gesicht, Pater, sondern öffnet den Wein, den wir uns zu Ehren des Feiertags genehmigen wollen. Unsere Gäste werden gleich da sein.«
Alberta hatte, um nicht mit ihrem Mentor alleine Weihnachten feiern zu müssen, ein paar Freunde zu sich eingeladen, die - gleich ihr - keine Möglichkeit hatten, das Fest mit ihrer Familie zu begehen. Ein Student aus Portugal war dabei, ein Spanier, ein junger Mann aus der Normandie, sowie ein Fürstenspross aus Sizilien.
Sie alle zeigten keinerlei Lust, eine geistliche Laufbahn einzuschlagen, sondern wollten Juristen werden, um später eine politische Karriere anzustreben. Den jungen Männern war eines gemeinsam: Brennender Ehrgeiz. Insofern hatte Alberta ihre Freunde gut ausgewählt. Jeder von ihnen war strebsam und fleißig und ließ sich nicht so leicht vom Studium ablenken. Die Hochschule war nämlich voll von jungen Herrchen, denen weniger an den Wissenschaften als vielmehr
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