Die Hexenadvokatin
auch wegen seiner Souveränität, die er in seiner eigenen Grafschaft mehr und mehr schwinden sah. Heiligabend war ihm auf jeden Fall gründlich verleidet.
KAPITEL 7
26. Dezember 1603, nahe Schloss Pechstein im Wald
»DASS DER SCHEINHEILIGE Hund sich überhaupt hierhergetraut hat, spricht für seine bodenlose Frechheit und dafür, dass er den Herzog hinter sich weiß«, stieß der Graf grimmig hervor, als er während einer Jagdpause Gelegenheit hatte, mit seinem Freund und Nachbarn, dem Freiherrn Bernhard zu Jetzenbach, ungestört zu plaudern. Sie hatten sich, zusammen mit ein paar befreundeten Edelleuten und einer ganzen Rotte von Treibern nebst Hunden, ein schwieriges Unterfangen vorgenommen:
Ein Bär sollte in seiner Höhle aufgestöbert und zur Strecke gebracht werden.
»Kommt der Kerl doch in einer Kutsche in meinen Schlosshof gerauscht - zum Reiten ist er vermutlich zu faul - und will sich bei mir bedanken für die hilfreiche Unterstützung, die ich ihm angeblich gewährt habe! Herablassend ließ er mich noch wissen, er werde auch den Herzog davon in Kenntnis setzen, dass ich mich in dieser delikaten Angelegenheit so kooperativ verhalten habe. So eine Unverschämtheit!«
»Was habt Ihr ihm denn geantwortet?«, erkundigte sich der Freiherr zu Jetzenbach neugierig. »Habt Ihr ihm hoffentlich ordentlich die Meinung gesagt?«
»Das könnt Ihr mir glauben!« Der Graf plusterte sich auf. »Vom Hof habe ich ihn geworfen, den perfiden Schwarzrock. Er soll sich bloß nimmer bei mir blicken lassen, habe ich ihm hinterhergeschrien.«
»Recht so«, lobte der Freiherr voll Bewunderung. »Ich wüsste nicht, wie ich reagieren würde, wenn so einer bei mir ankäme und meine Leute belästigen würde. Ich glaube aber nicht, dass ich den gleichen Schneid hätte wie Ihr.«
»Ach was«, entgegnete der Graf zu Mangfall-Pechstein ein wenig selbstherrlich. »Man darf sich das einfach nicht bieten lassen! Wo kämen wir denn da hin? Der Herzog soll schauen, dass in der Stadt alles unter Kontrolle ist und uns auf dem Land gefälligst in Ruhe lassen.«
Dass die drei armen Frauen im Falkenturm aller Voraussicht nach ihr Leben verlieren würden, darüber mochte der Graf lieber nicht nachdenken. In Wahrheit hatte er sich nämlich dem herzoglichen Schnüffler gegenüber, der am 23. Dezember bei ihm hereingeschneit und aufgetreten war wie die Heilige Inquisition persönlich, ziemlich zahm verhalten.
»Ich habe gehört, dass Maximilian und seine Geheimen Räte oft genug Streit mit dem Stadtrat haben, weil die Münchner sich nicht alles gefallen lassen wollen«, wusste der ein wenig behäbige Freiherr zu berichten.
»Ach? Das ist mir neu. Worum geht es denn dabei?«, erkundigte sich der Graf und stellte sich ein wenig dumm.
»Das ganze Theater ging schon unter Maximilians Vater los, der der Stadt das alte Salzhandelsrecht entzogen hat. Aber unter dem jetzigen Herzog ist es noch viel schlimmer. Der Hofrat versucht ständig, den Stadtrat als untergeordnete Behörde zu behandeln. So will der Hofrat zum Beispiel die Preise für Fleisch- und Wurstwaren festlegen - etwas, was den Stadtrat und die Metzgerinnung in helle Wut versetzt. Aber sobald die Stadträte protestieren, werden sie als Rädelsführer und Aufwiegler in den Kerker geworfen. Einfach unerträglich! Und trotz der Beschwerden der Bürger lässt der Herzog ganze Stadtviertel in München abreißen, um Platz zu schaffen für seinen Umbau der Residenz und für Kirchen und Klöster.«
Weiß Gott, von der Bauwut des Herzogs hatte sich der Graf erst neulich selbst ein Bild machen können …
»Bereits der alte Herzog Wilhelm, den sie schon zu Lebzeiten ›den Frommen‹ nennen, hat ohne Rücksicht Wohnhäuser konfisziert und dem Erdboden gleichgemacht, um die mächtige Sankt Michaelskirche und das riesige Jesuitenkloster zu errichten«, sinnierte der Freiherr.
»Um die Hälfte kleiner wäre es auch noch groß genug. Man möchte meinen, dass es allmählich reichen müsste, mit all den Kirchen und Klöstern. Aber nein! Immer neue schießen wie Pilze aus dem Boden«, ereiferte sich Graf Wolfgang Friedrich.
Ein Edelmann aus dem Rupertigau, der sich den beiden zugesellt hatte, fügte erbost hinzu: »Die Gastwirte sind auch schon verstimmt über den lästigen Papierkram, den der Herzog
ihnen neuerdings zumutet. Pro Gast ist der Meldezettel jetzt in vierfacher Ausfertigung einzureichen.«
»Wie bitte? Wozu denn gleich viermal?« Der Graf zu Mangfall-Pechstein schüttelte
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