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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Herren am Richtertisch wahrnahm, bemühte sie sich um ein bestimmtes Auftreten: »Schon der Anblick der Beschuldigten beleidigt mein Auge. Das Gericht wartet genau zehn Minuten. Und das Gesicht sollen sich die beiden auch waschen«, rief sie den Davonschlurfenden hinterher und ergänzte in einem Nachsatz,
an die Mitkommissare gewandt: »Das gebietet schon die Ehrfurcht vor diesem Gericht!«
    Einige der Richter nickten, andere blickten skeptisch und etliche lächelten spöttisch.
    Wen interessierte denn schon, was diese Menschen anhatten? Für den Scheiterhaufen taugten ihre Lumpen allemal. Außerdem tat ein heruntergekommenes Äußeres sein Übriges, den Gefangenen ihr letztes bisschen an Würde zu nehmen und ihren Willen zu Lüge und Verstellung zu brechen.
    Alberta beschlich indes ein leises Entsetzen, unter welchen Bedingungen die Gefangenen im Kerker offenbar gehalten wurden: An ihrer Kleidung waren deutliche Spuren von Exkrementen sichtbar gewesen.
     
    Vater und Tochter wurden im Laufe des Prozesses von ehrbaren Zeugen verschiedener Missetaten bezichtigt, die sie nur mithilfe des Satans zu bewerkstelligen imstande gewesen waren. Oder war es einem anständigen Christenmenschen etwa möglich, mithilfe einiger gemurmelter Sprüche die Kühe eines Bauern - der die Arbeit des Schneiders nicht hatte vergüten wollen - mausetot umfallen zu lassen? Zwei Tage darauf waren diesem außerdem noch drei Schweine im Stall verendet, sowie sämtliche Hühner …
    Ein Nachbar des Geschädigten hatte Hanne Wiesler des weiteren heimlich dabei beobachtet, wie sie in einem Hafen aus Bohnen, Mäusedreck, klein geschnittenen Schamhaaren, Wurmfarn, Eisenkraut und »unreinem Wasser«, sprich Urin, Hagel sott.
    Alberta erlaubte sich an dieser Stelle die Frage, woher er denn die Zutaten so genau benennen könne:
    »Dass man Urin und Mäusekot auch aus einer gewissen Entfernung noch riechen kann, will ich nicht bestreiten, Zeuge.
Aber dass Ihr mit Sicherheit sagen könnt, es habe sich um Schamhaare gehandelt, das erscheint mir doch etwas gewagt.«
    Der Mann wurde leicht verlegen und verhaspelte sich mehrmals, ehe er einräumte, dass es vielleicht auch Haare vom Kopf gewesen sein könnten …
    Jedenfalls habe die Hexe - und das wisse er nun ganz genau - den Inhalt des Topfes unter monotonem Gemurmel von Zaubersprüchen auf den Feldern seines Nachbarn verteilt. Der Bauer hatte zuvor ihren Vater als »liederlichen Stoffdieb« und sie selbst als »schamlose Hure« beschimpft.
    Ein weiterer Zeuge sprach unter anderem gleichfalls von »Schamhaaren«. Alberta wollte auf dieses Detail eigentlich nicht mehr weiter eingehen, aber nun war es einer der beisitzenden Kommissare, der es nicht auf sich beruhen ließ: Wie habe der Zeuge denn erkennen können, um welche Art Haare es sich dabei handelte?
    Der Mann stutzte erst, fing sich dann aber schnell. »Ich hab’ genau gesehen, wie sie den Rock gehoben und sich von dem Gestrüpp da unten zwischen ihren Beinen ein ordentliches Büschel abgeschnitten hat«, behauptete er ohne mit der Wimper zu zucken. Die Anwesenden - allesamt Männer - verkniffen sich nur mit Mühe ein Grinsen, während Alberta zu ihrem Ärger errötete.
    Hanne wurde später von einer weiteren Zeugin, der ehrenwerten Hausfrau Berta Zauner - die ihr und ihrem Vater aus Gutmütigkeit in ihrer Scheune Obdach gewährt hatte - dabei überrascht, wie sie sich »nackt mit einer stinkenden Salbe einschmierte, auf eine Ofengabel schwang und zum Kamin hinausflog«. Erst kurz vor Morgengrauen sei »das Hexenweib gut gelaunt, besoffen und mit fliegenden Haaren« wieder heimgekehrt.

    Wie nicht anders zu erwarten, hatten beide Wieslers alle Vorwürfe lebhaft abgestritten. Die Zeugen wären böswillig und würden sie ungerechtfertigt verleumden, behaupteten sie. Auf Albertas Nachfrage hin, was die Zeugen zu solch einem Tun veranlassen sollte, krähte der Störschneider:
    »Die wollen mich bloß für meine geleistete Arbeit nicht entlohnen und machen darum mich und meine Näherei schlecht.«
    Und die dicke Hanne in ihrem unförmigen, aber wenigstens sauberen Kittel, lamentierte: »Die alte Zaunerin ist nur eifersüchtig auf mich, weil ihr Mann mir schöne Augen gemacht hat. Ich gefalle ihm nämlich viel besser als seine eigene hässliche Alte. Außerdem hat sie uns beide im Hühnerstall erwischt, wo wir grad’ so lustig beim Vögeln waren, dass die Bodendielen geknarzt und gekracht haben. Der Zauner hat laut gestöhnt - wenn Euer Gnaden verstehen …

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