Die Hexenadvokatin
hatte - entgegen ihrer sonstigen Gepflogenheit - ein klein wenig mehr Alkohol im Blut, als sie sich für gewöhnlich gestattete. Angetan mit einer langen Robe und dem schwarzen Doktorhut mit Quaste hatte sie mit einer ganzen Reihe
von Gratulanten das ein oder andere Gläschen getrunken. So schwankte sie jetzt etwas, als sie den Stallungen zustrebte. Wie vom Blitz getroffen hielt sie inne, als plötzlich eine Gestalt aus dem Schatten hervortrat.
»Prächtig seht Ihr aus, junger Herr - noch viel hübscher als früher«, schmeichelte Freda von Hoferichter, die dem frischgebackenen »Doktor beider Rechte« regelrecht aufgelauert hatte.
»Wollt Ihr etwa ausreiten, Herr?«, erkundigte sich die schöne Freda und kam dabei vertraulich näher. Die Tochter des Präzeptors, obgleich inzwischen dreiundzwanzig Jahre alt, war noch immer unverheiratet, da sie sich standhaft weigerte, einen der zahlreichen Freier zu erhören, die bisher um sie geworben hatten.
Sie lebte nach wie vor bei Herrn Lorenz von Hoferichter, der jetzt die jüngeren Sprösslinge der Grafenfamilie - inzwischen zwölf und vierzehn Jahre alt - betreute. Alberta, leicht überfordert mit der Situation, konzentrierte sich voll und ganz darauf, ihre Augen ausschließlich auf Fredas attraktives Gesicht zur richten.
Doch immer wieder verschwammen die Gesichtszüge der Schönen vor ihr - ihre Brüste hingegen sah sie umso deutlicher: Wie üblich war Fredas Ausschnitt allzu großzügig und ihre weiblichen Rundungen drohten wie Äpfel aus dem Korb zu purzeln, sooft sie sich ein wenig nach vorne bückte. Alberta spürte, wie sie ein leiser Schwindel überkam.
»Und wenn schon - hast du etwas dagegen?«, brachte sie schließlich mühsam und wesentlich barscher als beabsichtigt hervor, während sie etwas ungeschickt aus ihrem Talar schlüpfte. »Du solltest dich nicht bei den Ställen herumtreiben, sondern dich um deinen alten Vater kümmern. Er hustet ganz jämmerlich - und das mitten im Sommer. Wir brauchen ihn noch länger als Lehrer für meine Geschwister.«
»Ha! Das ist offenbar das Einzige, was Euch interessiert: Dass Eure Familie alles hat, was sie braucht. Wie sich andere dabei fühlen, das ist Euch dagegen vollkommen gleichgültig.«
Alberta riss die Augen auf und konnte sich keinen rechten Reim auf diesen Vorwurf machen. »Was meinst du denn damit? Was sollte mich denn deiner Meinung nach sonst noch interessieren?« Es gelang ihr gerade noch, einen leichten Rülpser zu unterdrücken.
»Ich finde, dass sieben Jahre Versteckspielen genug sind«, gab Freda kühl zur Antwort.
»Jetzt verstehe ich gar nichts mehr.«
»Du armer, armer Mann«, frotzelte die Lehrerstochter, indem sie Alberta duzte. Der drehte sich jetzt nicht nur der Kopf, sondern auch ihr Magen rebellierte heftig: Der zu viel genossene Wein stieß ihr plötzlich sauer auf.
Doch Fredas merkwürdiges Benehmen wirkte schlagartig ernüchternd auf sie.
»Raus mit der Sprache, Mädchen! Ich mag keine Andeutungen und den frechen Tonfall kannst du dir auch sparen. Und wenn du glaubst, mich wie einen Rossknecht duzen zu dürfen, wirst du mich noch ganz anders erleben!«
Plötzlich wütend packte Alberta Freda derb am Arm und schüttelte sie grob.
»Jesus, Maria, wer hätte gedacht, dass solch zarte Gelehrtenhändchen so viel Kraft besitzen!«
Die nun ebenfalls zornentflammte Freda starrte ihr dreist ins Gesicht. »Oder sollte ich vielleicht lieber sagen: In so zarten Frauenhändchen?«
Die junge Gräfin zu Mangfall-Pechstein erstarrte.
»Seit wann weißt du es?«
Alberta ließ das Mädchen sofort los. Sie bemühte sich um einen gelassenen Tonfall.
»Seit der Totenfeier vor sieben Jahren für den echten Herrn Rupert weiß ich Bescheid«, entgegnete Freda unerschrocken. »Wie sollte ich es auch nicht gemerkt haben, dass Ihr Euch für ihn ausgebt? Wir waren ein Liebespaar und wenn Herr Rupert nicht nach Bologna gegangen und dort gestorben wäre: Wer weiß, wo er und ich uns heute befänden?
Euer Bruder hat mich wirklich geliebt und mir versprochen, nach Beendigung seines Studiums zusammen mit mir wegzugehen. In Österreich oder der Schweiz hätten wir schon unser Auskommen gefunden: Er als Gesetzeskundiger und ich als Gouvernante bei einer reichen Familie.«
»So hattet ihr euch das also gedacht!«
Alberta verbiss sich ein bitteres Auflachen. Ihr Zwillingsbruder wäre gewiss im Laufe der Zeit zu Verstand gekommen und hätte Freda samt ihren unverschämten Ansprüchen abgeschüttelt. Jetzt
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