Die Hexenadvokatin
Büßerhemd gestand alles. Natürlich habe er der heiligen Religion abgeschworen und sich dem Teufel verschrieben. Selbstverständlich habe er beim Hexensabbat mitgemacht; und es sei auch richtig, dass er einer Schwangeren ein Mittel zur Abtreibung der Leibesfrucht verabreicht habe, um an das ungeborene Kind heranzukommen. Das habe er nämlich benötigt, um »schwarze Medizin«, sprich ein tödliches Gift, daraus zu bereiten.
Der nächste Schritt Albertas bestand darin, den Schneider zu veranlassen, auch seine Tochter des Bundes mit dem Teufel zu bezichtigen. In diesem Punkt überwog jedoch zunächst seine Vaterliebe und er leugnete anfangs standhaft, dass seine Hanne eine Hexe sei.
Aber das Gericht zog erneut um in den Keller des Falkenturms und der »Eisenhans« zog ihn auf einen Wink Albertas an einem Seil, das über eine Rolle lief, in die Höhe. Als der Schneider mit auf den Rücken gebundenen Händen an einem Strick von der Decke des Kellergewölbes baumelte, schrie und jammerte er ganz erbärmlich.
Doch noch hatten seine Qualen kein Ende: Hans Bürgler machte sich daran, an die zierlichen Füßchen des Schneiders je ein zwanzig Pfund schweres Steingewicht zu hängen. Da brach sein Widerstand schnell in sich zusammen.
»Ja, ja, ja«, röchelte der Gemarterte. »Die Hanne ist eine Hex’.«
Endlich durfte der Kerkermeister den Schneider wieder herunterlassen,
wo er dann mit ausgekugelten Armen und ausgerenkten Oberschenkelknochen jämmerlich greinend auf dem Steinpflaster des Folterkellers lag.
»Ich bring’ das schon wieder in Ordnung«, sagte ruhig und irgendwie tröstend der Eisenhans und legte geschickt Hand an das Opfer an. Das laute Knacken und Knirschen, mit dem seine Oberarm- und Hüftknochen wieder in ihre Gelenkpfannen zurücksprangen, war bis zum am anderen Ende des Raumes stehenden Tisch der Kommissare zu hören. Alberta hätte sich beim unmenschlichen Gekreisch des Schneiders am liebsten beide Ohren zugehalten.
Danach war es ein Kinderspiel, dem Gemarterten das Geständnis zu entlocken, dass sein inzwischen verstorbenes Weib und er die Hanne bereits nach ihrer Geburt dem Teufel geweiht hätten. Das Mädel sei auch niemals ordnungsgemäß von einem Geistlichen getauft worden, gab er an.
Und bei den Flügen zu den Hexenversammlungen seien er und seine Tochter oft dabei gewesen. Beide hätten sie dem Teufel den Hintern geküsst zum Zeichen ihrer Unterwerfung; und die Hanne hätte wie die anderen Hexen mit dem Satan in Gestalt eines Ziegenbocks geschlechtlichen Umgang gehabt.
»Grad gern hat sie es getan«, fügte der Schneider beflissen hinzu. »Sie war immer eine der ersten, die sich mit hochgeschlagenem Rock vor den Geißbock hingekniet hat, damit er sie von hinten besteigen konnte. Und eine heilige Hostie haben wir auch angespuckt und sind drauf herumgetrampelt, weil der Teufel das so hat haben wollen …«
Um nicht erneut torquiert zu werden, gab Sebastian Wiesler auch gleich noch die Namen mehrerer anderer Weibsbilder an, die ebenfalls beim Hexensabbat mitgemacht hatten.
Später nahm Alberta sich die Tochter vor. Als diese hörte, dass ihr Vater sie als Hexe bezeichnet hatte, regte sie sich schrecklich auf. Die gnädigen Herren Richter würden doch diese Lüge nicht etwa glauben? Ihr Vater sei ein verlogener, ehrloser Kerl, aber sie sei eine gut christkatholische Dirn, die jedes Jahr brav zur Beichte und zur Kommunion gehe. Um das Ganze abzukürzen, überließ Alberta sie schließlich gleich den kundigen Händen des Eisenhans. Und nach mehrmaligem Aufziehen gestand auch Hanne alles, was die Kommissare von ihr hören wollten. Sogar den Mord an vier ungetauften Säuglingen, die sie ihren Müttern gestohlen habe, gab sie - sobald ihre Arme ausgerenkt und die Sehnen gerissen waren - ohne alle Umschweife zu.
Als sie dann noch drei weitere »Mithexen« denunziert hatte, gab sich Alberta zufrieden und schloss die Akte »Sebastian und Hanne Wiesler«. Jetzt konnte sie den Richter benachrichtigen lassen, damit dieser das endgültige Urteil verkündete …
KAPITEL 13
1. September 1610, in München
ALBERTA ERKANNTE BALD, dass sie sich dringend ein dickeres Fell zulegen musste, wenn sie in München bleiben wollte. Und das wollte sie auf jeden Fall; es gefiel ihr ausnehmend gut in der Residenzstadt des Herzogs. Hier herrschte geschäftiges Leben und Tag für Tag lernte sie interessante Leute kennen. Leute zumal, die Umgang mit Maximilian pflegten oder mit seinem frommen Vater, Herzog
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