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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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in einer Stadt wie München. Zumal für eine doch noch recht unschuldige und naive junge Dame.
    Beide bezogen Quartier in einem vornehmen Stadthaus, das Wolfgang Friedrich zu Mangfall-Pechstein in der Nähe des herzoglichen Hofes in einer Quergasse zur Residenzstraße hatte erbauen lassen. Immerhin hatte der zweistöckige, repräsentative Bau mit vier Säulen vor dem Eingang die stolze Summe von 3400 Gulden verschlungen.
    Dies überstieg bei weitem die jährliche Aufwandsentschädigung eines Hofratspräsidenten, der 2700 Gulden für den gesamten Haushalt der herzoglichen Familie erhielt.
    Alle Adelsfamilien, die es sich irgendwie leisten konnten, ließen sich Häuser in der Umgebung der Residenz errichten. Man suchte die Nähe zum Hof, gerade so »wie die Küken sich um die Henne scharen«, wie der Benediktiner Winfried es ein wenig spöttisch formulierte.

    Das hatte unter anderem den Vorteil, dass Alberta jeden Morgen nur einen ganz kurzen Weg zum Hof zu bewältigen hatte. Täglich hatte sie dem Herzog über ihre zu erledigenden Aufgaben und die Ergebnisse zu berichten. Es war deutlich zu beobachten, dass Maximilian eine Menge an seinem neuen Geheimen Rat gelegen war. Er hatte »den begabten jungen Mann« augenscheinlich für Großes vorgesehen. Alberta konnte das nicht zuletzt daran ablesen, wie liebenswürdig auf einmal das gesamte Hofpersonal zu ihr war. Sowohl die Ratsherren als auch die herzoglichen Domestiken befleißigten sich einer auffallenden Höflichkeit, Letztere einer beinahe schon peinlichen Servilität. Wen der Fürst bevorzugte, den musste man sich gewogen machen …
    Alberta war jung und unerfahren und sonnte sich durchaus im Glanz der Sympathie des Bayernherrschers, während der weitaus erfahrenere Pater Winfried das Ganze mit ein wenig mehr Distanz und Skepsis beobachtete. Kannte er doch zur Genüge die Wahrheit des Sprichworts »wer hoch hinaufsteigt, kann auch tief herunterfallen«.
    Dem Mönch wäre es weitaus lieber gewesen, seinen Schützling etwas mehr im Hintergrund zu wissen.
     
     
     
    27. September 1610, in aller Herrgottsfrühe
     
    Alberta hatte bereits um fünf Uhr ihr karges Morgenmahl zu sich genommen. Es bestand in der Regel aus einem Krug Malzbier, angewärmt und leicht mit Wasser verdünnt, sowie einer kleinen Schüssel mit ein wenig in Butter geschmälztem Gersten- oder Haferbrei, gesüßt mit Honig. Meistens leistete ihr Pater Winfried dabei Gesellschaft. Der Mönch allerdings trank stets nur Wasser zu völlig geschmacklosem Hafermus.

    Es war erst halb sechs, als Alberta das Palais der Mangfall-Pechsteins - gegenüber dem Anwesen der Familie von Preysing gelegen - verließ und sich auf den kurzen Weg zur Residenz machte, wie immer in der Tracht der Hofräte des Herzogs gekleidet: Ein dunkelbraunes kurzes Wams mit auffällig gepolsterten Schultern über einem schwarzen Hemd mit Spitzenkrause an Hals und Handgelenken, dazu eine an den Oberschenkeln mit Rosshaar ausgestopfte, kurze dunkelgraue Pumphose.
    Die Beine wurden bedeckt von einer schwarzen Strumpfhose und die Füße steckten in dunklen Schuhen mit halbhohen Absätzen und nach oben gebogenen Spitzen. Den Kopf zierte ein schwarzes Barett mit einer Feder und stets gehörte ein Degen zur Ausstattung. Weil es bereits kühl war, hatte »der Geheime Rat« einen schwarzen wollenen Umhang um die Schultern geworfen.
    »Wie traurige Krähen sehen wir alle miteinander aus«, hatte Alberta unwirsch gemurmelt, als sie zum ersten Mal in die vom Herzog verlangte Kleidung schlüpfte. Aber sie gewöhnte sich bald daran. Die Räte des Herzogs fielen im Straßenbild auf und wurden von den Bürgern respektvoll begrüßt.
    Unter den rund siebzig Räten gab es derzeit, soweit die Gräfin wusste, nur etwa zehn »Studierte«. Man zählte sie daher zum Gelehrten Rat im Gegensatz zum sogenannten Fürstlichen Rat.
    Seit etwa einem halben Jahrhundert gliederte sich der gesamte Rat in verschiedene Ausschüsse mit speziellen Funktionen: Es gab den Geistlichen Rat, eingerichtet zur Überwachung des religiösen Lebens, dann den Kriegsrat sowie den Geheimen Rat, dem Alberta seit kurzem mit großem Stolz angehörte.
    Er war die oberste Zentralbehörde für die Auslandspolitik
und zugleich für sämtliche Angelegenheiten des fürstlichen Hauses. Und zu denen zählte Herzog Maximilian leider auch die Hexenprozesse …
    Die Finanzen wiederum unterstanden einem eigenen Hofkammer-Kollegium. Das Vorbild für eine Differenzierung der höchsten Staatsämter

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