Die Hexenadvokatin
war der Kaiserhof in Prag. Mit einer Ausnahme: Der Geistliche Rat war eine originär bayerische Einrichtung - zum Leidwesen vieler …
Die Gräfin bog um die Ecke und sah die Residenz bereits vor sich liegen. Soweit sie wusste, wohnten hier - zwischen Tal und Hinterer Schwabingergasse - der Hofratspräsident und der Hofkanzler, die herzoglichen Räte sowie die Geheimsekretäre.
Auch etwas niedrigere Chargen, wie etwa Amtspfleger, hatten hier ihre Wohnungen, desgleichen die Kastner, Hofmaler und Bildhauer, die Edelsteinschneider und Goldschmiede, die Hofschuster, Hofschmiede, Plattner und Leibschneider, ferner die fürstlichen Lakaien, Trommler und Hofköche sowie die schier allgegenwärtigen Trabanten und nicht zuletzt die Falkner.
Die nördliche Stadthälfte war damals die vornehmere im Gegensatz zur anderen, südlich des großen Marktplatzes gelegenen, wo die kleinen Gewerbetreibenden, die Händler und Handwerker, die Krämer, die Hafner und Seiler, die Isarfischer und die Kuttelwascher hausten.
Der wichtigste Platz für die Bürger war der zentral gelegene Marktplatz, an dem, von einigen Ausnahmen abgesehen, Münchens einzige Häuser mit drei Stockwerken standen.
Diese gehörten den reichen Salz- und Kornhändlern sowie den städtischen Barbieren und dem Inhaber der Trinkstube. Die übrige Bürgerschaft und selbst der Adel begnügten sich mit ein- bis zweistöckigen Wohnhäusern.
Der zweite Kristallisationspunkt dieses urbanen Gemeinwesens war der Alte Hof im Nordosten der inneren Stadtbefestigung sowie die Neu-Veste in der nordöstlichen Ecke der äußeren Maueranlage. Die Herzöge lebten jetzt nicht mehr abgeschottet von den Bürgern, sondern mit ihnen und diese wiederum vielfach von ihnen.
Da die Inhaber der Hofämter als besondere Vertraute des Fürsten auch zur Erledigung wichtiger Staatsgeschäfte herangezogen wurden, rechnete sich Alberta immer noch gute Chancen aus, auch bald zu politischen Aufgaben berufen zu werden. »Mich mein Leben lang nur mit Hexen und Zauberern herumschlagen zu müssen, das täte mir gar nicht gefallen«, murmelte sie vor sich hin. Ganz in Gedanken versunken hatte sie den Kopf gesenkt und achtete nicht weiter auf ihre Umgebung.
Da löste sich aus dem Schatten der Mauer eine männliche Gestalt und baute sich vor ihr auf. Alberta verfügte über flinke Reflexe und hatte blitzschnell ihren Degen in der Rechten.
»Jesus Maria! Herr! Ich will Euch doch nichts Böses!«, rief der Unbekannte abwehrend, ein etwa Vierzigjähriger, dem Ansehen nach ein Bediensteter aus gutbürgerlichem Hause.
»Was will Er denn von mir?« Alberta hatte noch immer mit dem Schrecken zu kämpfen und klang daher recht unwillig.
»Ich soll Euer Gnaden diesen Brief von meiner Herrschaft übergeben. Bitte, lest ihn! Und wenn Euer Gnaden dann so gütig wären und meinem Herrn eine Antwort zukommen lassen wollten?«
Der Kerl drückte Alberta ein offenbar mehrfach gefaltetes Schreiben in einem Umschlag in die Hand, wandte sich um und war wie ein Geist in einem schmalen Häuserdurchgang verschwunden. Verblüfft starrte ihm die Gräfin hinterher, dann drehte sie unschlüssig das Kuvert hin und her. »An Seine
Gnaden, Graf R. W. zu Mangfall-Pechstein, Geheimer Rat Seiner Durchlaucht, Herzog Maximilian von Bayern« konnte sie lesen, doch es stand kein Absender darauf.
»Sicher ein Bettelbrief«, dachte die junge Frau. »Oder jemand will eine anonyme Anzeige erstatten.« Gedankenlos steckte sie das Schreiben in die Tasche ihres Überrocks. Lesen würde sie den Brief später. So wichtig würde das Schreiben wohl nicht sein …
Fast schon hatte sie den Zwischenfall wieder vergessen, als sie sich dem Eingangsportal der Residenz näherte, das von zwei Wachsoldaten mit und von zweien ohne Pferd flankiert wurde. Unter Wilhelm V., dem Vater Maximilians, war die Schlosswache nach spanischer Manier eingekleidet worden: Weiße Strümpfe, orangefarbene Kniehosen, ein gleichfarbiges Wams, darüber einen bis zu den Knien reichenden, um die Schultern drapierten violetten Umhang mit gelbem Futter. Um den Hals lag den Männern eine gestärkte Krause und auf dem Kopf trugen sie einen steifen, schwarzen Zylinder mit einem gelben Pompon.
Selbst ausländische Besucher gaben gerne zu, dass diese bayerischen Soldaten eine gute Figur machten.
Da sie als Mitglied des Hofrats erkannt wurde, ließ man Alberta nach einem flüchtigen Blick mit freundlichem Gruß passieren. Fremde hingegen wurden gründlich gefilzt.
Als Alberta den
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