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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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Hexenkarren verfrachtete, befanden sich der Graf und seine Gemahlin außer Landes. Mit Vorbedacht hatte man Freda zu einem Zeitpunkt geholt, zu dem sicher war, dass sich niemand im Schloss befand, der ernsthaften Widerstand leisten konnte.
    »Wäre ich hier gewesen, hätte ich die junge Frau beschützt und in ein Versteck gebracht, wo keiner der jesuitischen Bluthunde sie jemals gefunden hätte«, tobte der Edelmann nach seiner Rückkehr. Er betrachtete es als ungeheuren Affront, dass man es gewagt hatte, seinem Haushalt eine Person gewaltsam und widerrechtlich zu entreißen. Die scheinheilige Begründung, man sei sich sicher, dass der Graf höchst dankbar wäre, eine gefährliche Hexe aus der unmittelbaren Nähe seiner Familie entfernt zu wissen, erzürnte ihn erst recht.
    Dem Herrn von Schloss Pechstein blieb nur die Möglichkeit, nachträglich gegen die Verschleppung schärfsten Widerspruch einzulegen.
    Er formulierte ein wütendes Protestschreiben, wohlwissend, dass er sich damit schon weit vorwagte, halb aber auch in der Annahme, Maximilian werde den Brief nie zu Gesicht bekommen. Doch da irrte der Graf: Jeder Brief landete auf des Herzogs Schreibtisch. Bayerns Regent wollte über alles und jeden in seinem Land Bescheid wissen, über jeden Vorfall, jede
Stimmung, jeden möglichen Widerstand. Den Protest seines »Vetters« nahm er mit einigem Befremden zur Kenntnis.
     
    Pater Winfried war immerhin so ehrlich, sich selbst einzugestehen, einerseits über den Ausgang des Prozesses wahrhaft entsetzt zu sein, andererseits aber eine abgrundtiefe Erleichterung zu empfinden. Seinem Schützling Alberta konnten etwaige »Enthüllungen« Fredas nun nichts mehr anhaben. Er dankte Gott dem Herrn für seine Eingebung, genau in der vergangenen Nacht den Falkenturm aufgesucht zu haben.
    Nicht auszudenken, was wohl geschehen wäre, hätten der Kerkermeister oder seine Frau den kompromittierenden Papierfetzen neben der Leiche gefunden … Auf jeden Fall wären Alberta höchst unangenehme Fragen nicht erspart geblieben.
     
    Alberta indes wusste selbst nicht so genau, wie ihr eigentlich zumute war: Das Schaudern über den entsetzlichen Prozess und Fredas tragisches Ende hielt sie nächtelang wach. Es schien ihr, als habe Freda sich für sie und ihr Geheimnis aufgeopfert. Und egal, was Freda auch getan haben mochte - für eine »Hexe« hatte Alberta sie ohnehin nie gehalten -, so hatte sie die unmenschlichen Qualen gewiss nicht verdient. Nachdem Alberta mit Schrecken den Fanatismus einiger anderer Mitglieder des Gerichts beobachtet hatte, kam sie ohnehin nicht mehr um die Frage herum, wer nun eigentlich besessen war. Unmerklich war in ihr die Erkenntnis gereift, dass die zauberischen Umtriebe vielleicht eher in der Vorstellung der Inquisitoren existierten als in der Realität. Doch so ganz waren ihr die Konsequenzen dieser Überlegung noch nicht zu Bewusstsein gekommen - müsste sie doch anderenfalls sofort ihren Dienst quittieren.

    Und je mehr Tage ins Land zogen, umso größer wurde Albertas Erleichterung, dass nun wenigstens alles vorbei und die Gefahr für sie selbst fürs Erste gebannt war.
    Spontan beschloss sie, für Fredas Seelenheil drei Messen in der gräflichen Kapelle lesen zu lassen. Das würde hoffentlich auch dem Präzeptor beweisen, dass sie persönlich nichts gegen seine Tochter gehabt hatte.
    Ferner verfasste sie zwei Schreiben: Eines an ihren Vater, worin sie ihm gestand, seine Meinung bezüglich der »Hexen« zu teilen, und das andere an Lorenz von Hoferichter, in dem sie dem alten Witwer, der nun auch noch sein einziges Kind verloren hatte, ihr ehrliches Beileid bekundete.
    »Beim nächsten Gesuch, erneut den Vorsitz in einem Verfahren wegen Hexerei zu übernehmen, werde ich mich strikt weigern«, verkündete die junge Gräfin entschlossen dem Pater, als sie nach dem Nachtmahl noch im Salon beisammensaßen.
    Dieser zeigte sich ungerührt und schwieg; er glaubte nicht, dass seine junge Herrin den Mut besäße, sich gegen einen entsprechenden Befehl des Herzogs aufzulehnen - schließlich unterstand sie seinem Befehl auf Gedeih und Verderb. Allenfalls würde sie es mit einer Lüge versuchen und längeres Unwohlsein vortäuschen.
    Im Augenblick jedenfalls war »der Geheime Rat« zum Glück mehr als beschäftigt mit dem Erstellen eines modernen Gesetzeswerks für das Land Bayern. Der todkranke Fickler war keine große Hilfe mehr und Alberta sah sich nahezu allein mit der gewaltigen Aufgabe betraut; immerhin hatte

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