Die Hexenadvokatin
Beilfried«, fuhr Alberta mit vor Wut bebender Stimme dazwischen. »Lorenz von Hoferichter ist ihr Vater; und dieser steht, wie Ihr sehr wohl wisst, in den Diensten meiner Eltern. Dieser Mann ist höchst ehrenwert und ich soll ihm jetzt - auf äußerst dubiose Anschuldigungen hin - seine Tochter rauben?«
Alberta schrie jetzt beinahe. Wie sie nur zu gut wusste, war das sehr ungünstig, da ihre normalerweise dunkle Stimme bei Nervosität und bei größerer Lautstärke schrill wurde. Aber ihr Gegner bemerkte solche Feinheiten nicht, da auch er zu brüllen begann:
»Gerade die Tatsache, dass der Vater des Frauenzimmers der Präzeptor Eurer jüngeren Geschwister ist, erfordert von Euch eine besonders strenge Handhabung der Prozessordnung, damit man Euch nicht Parteilichkeit zugunsten einer Angehörigen Eures Hausstandes anzulasten vermag!«
Als Kommissar des Hexengerichts sah Jakob von Beilfried diesen Fall bereits den Bach hinuntergehen. Wenn der Vorsitzende so weitermachte, würden sie das Weibsbild noch laufen
lassen müssen. Welch Schande! Dabei hatte sich von Beilfried, ein nicht mehr ganz junger Jurist, endlich eine Chance ausgerechnet, dem Herzog als strenger Hexenrichter aufzufallen und doch noch am Hof eine - wenn auch verspätete - Karriere zu machen.
Aber dieser Graf zu Mangfall-Pechstein war jetzt dabei, auch seine allerletzten Hoffnungen zunichtezumachen …
Beide Kommissare liefen erregt im Salon umher; sie gestikulierten lebhaft und hatten keinerlei Hemmungen, was die Heftigkeit ihres Disputs anlangte. Die drei Dienstboten, die gewöhnlich den Haushalt versorgten, hatte Alberta an diesem Abend wohlweislich weggeschickt. Sie hatte eine unangenehme Auseinandersetzung bereits vorhergesehen, als der Kollege sie um die Unterredung ersucht hatte.
»Ich kenne ebenfalls die Vorschriften, Herr von Beilfried! Keine Sorge, ich bedarf diesbezüglich keiner Belehrung durch Euch«, fuhr Alberta den Älteren an. »Aber in diesem Fall sehe ich absolut keinen Anlass, die Ärmste erneut der Tortur zu unterwerfen. Sie hat wahrlich genug gelitten! Weitere Quälereien könnten womöglich ihren Tod bedeuten.«
»Wie bitte? ›Die Ärmste‹ nennt Ihr diese Satansbraut? Eure Fürsorge für das Hexenluder ist ja rührend! Aber seid unbesorgt, Graf, jeder weiß: Unser Eisenhans versteht sein Handwerk. Ihm ist noch keine Hex’ während der Tortur unter den Händen verreckt.
Auch die übrigen Kommissare haben heute nur den Kopf geschüttelt, als sie Eure Anordnung vernahmen, das Weib in Ruhe zu lassen . Zum Glück habt Ihr darauf verzichtet, sie gleich ganz aus der Haft zu befreien. Aber da hätten wir anderen auch nicht mitgemacht.«
»Die anderen«, das waren die übrigen zehn Kommissare,
die dem Gerichtsverfahren zugeteilt waren. Etwa die Hälfte von ihnen galten als unerbittliche Hexenverfolger.
»Ich muss mich sehr über Euch wundern, Baron, dass ausgerechnet Ihr - früher bekannt als ein ausgesprochener Gegner der Hexenprozesse - Euch neuerdings so stark macht für eine wiederholte Folterung Fredas von Hoferichter. Ist es nur, weil Ihr Euch beim Herzog beliebt machen wollt, um in den Kreis des Geheimen Rates aufgenommen zu werden?«, fragte Alberta mit süffisant hochgezogenen Augenbrauen, ehe sie in ruhigerem Tonfall fortfuhr:
»Durch eine erneute Misshandlung würde man riskieren, die junge Frau körperlich dauerhaft zu schädigen. Kommt sie wegen erwiesener Unschuld frei, wovon ich ausgehe, bliebe sie ihr Lebtag lang ein Krüppel. Wie sollte mein Gewissen mit dieser Belastung jemals fertigwerden, Baron?«
»Das hättet Ihr Euch auch bei dem anderen Hexenprozess, den Ihr geführt habt, fragen müssen, Graf! Glaubt Ihr allen Ernstes, dass der halb schwachsinnige Sebastian Wiesler und seine unappetitliche Tochter Hanne tatsächlich Hexen oder Zauberer waren? Beide auf den Scheiterhaufen geschickt zu haben, hat Euer Gewissen anscheinend nicht sehr belastet«, höhnte Jakob von Beilfried, ohne auf Albertas vorherige, provokante Frage einzugehen.
»Ach? So wollt Ihr mir jetzt kommen? Von Euch habe ich seinerzeit jedenfalls keinen Widerspruch gehört! Ich bin auch heute noch überzeugt davon, dass die beiden der Hexerei schuldig waren. Sie haben es ja unter der Folter auch zugegeben - im Gegensatz zu Freda.« Gegen ihren Willen klang Alberta leicht trotzig; sie wollte sich auch lieber nicht mehr an die Details des Verfahrens gegen die Wieslers erinnern. Im Augenblick waren schließlich Freda und die Erwirkung
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