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Die Hexenadvokatin

Die Hexenadvokatin

Titel: Die Hexenadvokatin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karla Weigand
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ihr der Herzog in Aussicht gestellt, einen anderen Rechtskundigen zu bestimmen, der ihr zur Hand gehen sollte. Aber wann das sein würde, hatte er nicht gesagt.

    15. November 1610, im Palais Mangfall-Pechstein
     
    »Kein Wunder, dass alle dem alten Fickler aus dem Weg gehen«, beschwerte sich Alberta bei ihrem väterlichen Freund. Beide hatten es sich im Kleinen Salon bequem gemacht. Alberta saß in einem tiefen Sessel und hatte die schlanken Beine in den engen Strumpfhosen auf einen Hocker gelegt. Sie betrachtete wohl zum hundertsten Male die herrlichen Wandteppiche, die ihr Vater eigens in einer flämischen Gobelinwerkstatt hatte anfertigen lassen.
    Sie zeigten Szenen aus dem Leben des alttestamentarischen Königs Salomon, der nebenbei ein begnadeter Richter gewesen war. Sooft sie die farbenfrohen Teppiche in Augenschein nahm, wünschte sie sich, nur einen Bruchteil der Weisheit des altjüdischen Herrschers zu besitzen …
    »Der Mann mag ja früher durchaus seine Meriten gehabt haben«, bemerkte der Benediktinermönch, »aber jetzt ist der unangenehme Sturkopf bloß noch ein penetranter Paragrafenreiter. Akkuratesse ist gut und recht, aber man kann auch alles übertreiben.«
    Alberta musste schmunzeln.
    »Ich kenne Fickler von früher; wir sind ja Altersgenossen. Lasst Euch versichern, Alberta, Johann Baptist war auch in jungen Jahren ein gefürchteter Haarspalter. Dass diese störende Eigenart mit den Jahren nicht besser zu werden pflegte, war vorauszusehen.
    Darüber hinaus hat ihn die enorme Wertschätzung und betonte Bevorzugung durch den vormaligen Herzog Wilhelm ziemlich hochmütig gemacht. Dass ihn sich unser jetziger Fürst, der ihn jahrelang als Lehrer genossen hat, nun vom Leibe hält, macht ihn verdrossen. Kein Wunder, dass Fickler versucht, allen Jüngeren das Leben schwerzumachen.«

    Alberta seufzte. Sie hatte bislang ja nur eine kleine Kostprobe von Ficklers Unleidlichkeit bekommen. Doch die reichte ihr schon vollauf. In den letzten Wochen hatte er sie vom Krankenbett aus mit Anmerkungen und Eingaben drangsaliert, denn natürlich hatte er sich schon lange im Voraus in den Codex eingearbeitet und wusste alles besser …
    »Ich kann seinen Groll darüber, plötzlich abgeschoben zu werden, ja durchaus verstehen, Pater. Aber es ist schon nervtötend, wenn er eine Causa, die längst abgeschlossen ist, immer und immer wieder durchkauen und erneut von allen Seiten beleuchten will. So werden wir mit dem neuen Gesetzbuch bestimmt nie fertig! Unser Herr Maximilian ist beileibe kein sehr geduldiger Fürst. Er beginnt bereits, sich zu erkundigen, wie sich die Sache denn so entwickle.«
    Der Mönch lachte jetzt ganz laut. Und da er dabei seinen Mund weit öffnete, konnte Alberta sehen, dass ihrem alten Freund inzwischen die meisten Zähne fehlten …
    »Ja, da seid Ihr wahrlich nicht zu beneiden. Ihr mit Eurem jugendlichen Feuer treibt, bildlich gesprochen, die Gäule an, die den Wagen ziehen sollen, aber es fehlt Euch ein Mitstreiter, denn ganz allein könnt ihr nicht durch die Unwegsamkeit der Gesetzeslandschaft steuern.«
    »Das habt Ihr sehr schön gesagt, Pater. Das nächste Mal, wenn Maximilian mich wieder nach den Fortschritten fragt, werde ich ganz vorsichtig eine Andeutung machen, dass es nicht an mir liegt, falls wir die zeitliche Vorgabe von zehn Jahren nicht einhalten sollten. Und ich habe geglaubt, in sechs oder sieben Jahren alles fertig zu bekommen. Er muss mir bald einen anderen Juristen zuteilen - zumal es um Fickler gesundheitlich wirklich sehr schlecht steht!«
    Der Pater verkniff sich ein Grinsen. Der Jugend konnte es nie schnell genug gehen. Alles wollte sie in ihrem Ungestüm
übers Knie brechen. Er war sich sicher, dass auch Alberta mit den Jahren eine gemächlichere Gangart zu schätzen lernen würde. Zudem konnte sie seiner Meinung nach froh sein, solange der Herzog sie mit anderen Dingen als mit Hexenprozessen beschäftigte. Der Pater hütete sich jedoch, Alberta dies kundzutun, da er sie nicht wieder beunruhigen wollte.

KAPITEL 18
    6. Februar 1611, im elterlichen Schloss
     
    »VATER, ICH BITTE Euch sehr, Ihr müsst mir in dieser Sache helfen. Allein werde ich es nämlich kaum schaffen, auch nur einigermaßen glimpflich davonzukommen. Es darf ja nicht so aussehen, als würde ich die junge Dame verschmähen! Das würde mir den Hass ihrer gesamten Sippe einbringen.
    Wie kann ich die Familie von Heilbrunn-Seligenthal nur abbringen von ihrer Wahnsinnsidee, mich mit ihrer Tochter

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